Warum ich, Jürgen Trinkus, nicht gendere

Sowohl in der gesellschaftlichen Wirklichkeit als auch in der Sprache gibt es Ungleichgewichte. Sowohl die gelebte Realität als auch die lebendige Sprache verändern sich – hoffentlich in Richtung auf mehr Gerechtigkeit, mehr Partizipation, Diversität, Integration und Inklusion. Sensibilität und Achtsamkeit sind dabei katalysatorisch wirkende Werte.

Wenn es um Sachinhalte geht, spielt das tatsächliche oder gefühlte Geschlecht keine inhärente Rolle. Hier eine Geschlechtsdimension hinein zu tragen, ist eine sachfremde Ideologisierung.

Die handstreichartige Sprachnormierung durch gendergerechte Außerkraftsetzung der gewachsenen Grammatik und Orthographie hat uns ein abgehobenes, nicht sachgerechtes Polarisierungspotenzial beschert. Der Versuch, Geschlechter-Diversität in der Sprache auszudrücken, tut vordergründig genau das Gegenteil von dem, was wohl beabsichtigt ist: sexuelle Befindlichkeit wird zentriert. Statt das gefühlte Geschlecht zur Privatsache zu machen, wird es per Sprache zur öffentlichen Angelegenheit gemacht.
Statt Versachlichung Emotionalisierung! Statt gelebter Vielfalt sprachliche Uniformierung! Statt Eleganz in Wort und Schrift grammatikalisch-orthographische Entgleisungen.

Ob die Besucher einer Ausstellung männlich, weiblich, trans- oder was auch immer -sexuell sind, interessiert mich nicht. Sie sind konkrete Menschen, die im Plural unter einen Begriff subsummiert werden müssen. Im Singular stellt sich das Problem ja gar nicht. Da ist die Julia eine Vermittlerin und der Julius ein Vermittler. Im Plural wird das Geschlecht in der gewachsenen Grammatik eliminiert, in der aufgesetzten Grammatik wird die banale Tatsache, dass wir sexuell divers sind, auf eine sperrige Weise ausgestellt.

Die meisten Museumsmitarbeiter, besonders im Vermittlungsbereich sind weiblich. Das ändert sich nicht dadurch, dass ich sie Mitarbeiterinnen nenne; ebenso wenig wird die aktuell noch feststellbare jedoch im Wandel begriffene Tatsache sprachlich zum Verschwinden gebracht, dass auf der oberen Leitungsebene, der „Chefinnen“-Ebene noch die Männer dominieren.

Wer glaubt denn ernsthaft, dass „Experten in eigener Sache“ männlich gedacht werden, wenn ich nicht den Wurmfortsatz „*innen“ anhänge?

Ich bedauere, dass das grammatikalische Geschlecht in der deutschen Sprache uns so viele Schwierigkeiten macht. Ich glaube nicht, dass sich das durch die Erfindung des diversen Geschlechts, durch die brachiale und scheinbare Gendergerechtigkeit in derSprache überwinden lässt. Vielleicht wird es uns irgendwann unangenehm aufstoßen, dass „das Kind“ sprachlich als Neutrum daher kommt. Im sächlichen Wort Kind eine Diskriminierung zu sehen, könnte Leuten einfallen, die als Beauftragte für Diversifizierung, Sensibilisierung, Integration und was weiß ich noch angestellt und bezahlt werden. Sie benötigen ideologische Baustellen für die Rechtfertigung ihrer Daseinsberechtigung. Dass diese Leute an Hochschulen, in Institutionen bezahlt werden und ihre Daseinsberechtigung manifestieren können, ist für mich Ausdruck unseres ökonomischen Reichtums unserer Luxuskultur.

Der soziale Wandel ist im Gange. Er verändert auch die Sprache. Sprache ist Überbau und Ausdrucksform der Verhältnisse. An ihr muss nicht gezerrt und geschraubt werden. Daher habe ich aus einem Beitrag, den ich schrieb und mit Sternchen-Anhängseln zugepflastert hatte, diese deklarative Redundanz nun wieder entfernt und fühle mich befreit dadurch.