3. Die Konsolidierung des genossenschaftlich-sozialistischen Eigentumsverhältnisses auf adäquater materieller Basis

Die Geschichte des genossenschaftlich-sozialistischen Eigentumsverhältnisses ist die Geschichte seines Aufstiegs vom abstrakten, formal gesetzten Verhältnis zu einer konkreten Totalität von Produktionsverhältnissen. Die Ausreifung des genossenschaftlichen Eigentumsverhältnisses ist identisch mit der Herausarbeitung seines Korrelativs, eines geschlossenen Ganzen angemessener Produktionsverhältnisse. Das genossenschaftliche Eigentum kann immer nur so weit real und sinnfällig, entwickelt und konsolidiert sein wie es in der Gestaltung des gesamten Reproduktionsprozesses seine Entsprechung findet. In seinem Entwicklungsprozeß sind grundsätzlich zwei durch den Entwicklungsstand der Produktivkräfte bedingte Phasen zu unterscheiden.

In einer ersten Phase basiert die Genossenschaft im ganzen noch auf den im vorigen Abschnitt besprochenen Produktivkräften, wie sie unmittelbar aus der Vereinigung privatbäuerlicher Warenproduzenten hervorgingen. Überkommen waren Produktionsinstrumente, Standortverteilungen, Produktionsprofile, Schlageinteilung, Wirtschaftsbauten, Produktionserfahrungen, Qualifikation und Kulturniveau der Produzenten.

Entscheidendes Kennzeichen der zweiten Phase ist die Dominanz der "unteilbaren Fonds", die aus der genossenschaftlichen Arbeit hervorgegangen, nur noch genossenschaftlich anwendbar und also ihrer materiellen Existenzweise nach nicht aufteilbar sind. Die unteilbaren Fonds repräsentieren die materiell-technische Basis der genossenschaftlichen Großproduktion. Erst mit dem Übergang zu dieser höheren Phase gewinnen die Genossenschaften innere Stabilität, ist ihre Entwicklung wirklich irreversibel geworden. "Dort, wo die LPG mit modernen Gebäuden und moderner Technik ausgerüstet ist, die die Arbeit auf ein höheres Niveau heben, das heißt, wo die materiell-technische Basis des Sozialismus im wesentlichen geschaffen ist, wo Ordnung herrscht und wo eine hohe Arbeitsproduktivität, eine hohe Marktproduktion und ein sicheres Einkommen der Bauern aus der gesellschaftlichen Wirtschaft erzielt werden, gibt es keinen Bauern mehr, der auch nur einen Augenblick an die Möglichkeit einer Rückkehr zur alten, privaten Kleinwirtschaft denkt oder das gar wünscht."

Weitere Kriterien für den erreichten Grad der Konsolidierung des genossenschaftlichen Eigentums, die nachfolgend näher zu betrachten sind, bestehen in der Organisierung der genossenschaftlichen Arbeit als andere Seite und Basis der genossenschaftlichen Aneignung, im Grad der Entfaltung der ökonomischen Beziehungen der genossenschaftlichen Landwirtschaftsbetriebe innerhalb einheitlich sozialistischer Produktionsverhältnisse unserer Volkswirtschaft sowie im Grad der Subsumtion des Gruppencharakters des genossenschaftlichen Eigentums unter die Bedürfnisse einer planmäßigen sozialistischen Entwicklung.

In diesem Lichte ist der Abschluß des genossenschaftlichen Zusammenschlusses der Einzelbauern im Frühjahr 1960 nicht identisch mit dem Abschluß der Konsolidierung der LPG, obwohl mit dem "voll genossenschaftlichen Dorf" eine wesentliche Voraussetzung für eine planmäßige Gestaltung der Produktion erfüllt war. Die Konsolidierung der genossenschaftlich-sozialistischen Produktionsverhältnisse war weitgehendst abgeschlossen 1963/1965.

3. 1. Die Gestaltung des genossenschaftlichen Arbeitsprozesses als Entsprechung des genossenschaftlichen Aneignungsprozesses

Mit maßgeblicher ökonomischer, politischer und ideologischer Unterstützung seitens der Arbeiterklasse, mußte bei der Vereinigung der werktätigen Bauern auf der Basis der Vergesellschaftung der Arbeit und ihrer Voraussetzungen ein Eigentumsverhältnis entstehen, das die Identität von Produzent und Eigentümer auf einer dem Vergesellschaftungsgrad der Arbeit entsprechenden Stufe vermittelt. Deshalb kann das genossenschaftliche Eigentumsverhältnis nur so weit als durchgesetzt angesehen werden, wie die genossenschaftliche Arbeit entwickelt ist.

Das genossenschaftliche Eigentum ist aus der Vereinigung vieler Einzelbauern und ihrer Produktionsmittel zu kollektiver Produktion hervorgegangen; seine Reproduktion als genossenschaftliches Eigentum wird von Anfang an gewährleistet durch die genossenschaftliche Arbeit. Ihre Organisierung und erfolgreiche Bewältigung ist daher die Elementbedingung genossenschaftlicher Aneignung. Genossenschaftliche Arbeit und genossenschaftliches Eigentum, genossenschaftlicher Arbeits- und genossenschaftlicher Aneignungsprozeß bilden eine dialektische Einheit, indem sie einander ebenso hervorbringen wie voraussetzen. Die Produktionsgenossenschaft ist gerade dadurch die Negation des bäuerlichen Privateigentums, daß in ihr die gesellschaftlich verausgabte Arbeit Basis und Maß des gemeinsamen Eigentums und der auf gemeinsamer Arbeit und gemeinsamem Eigentum beruhenden individuellen Aneignung ist, während "Maschinenringe", "landwirtschaftliche Zirkel", "bäuerliche Erzeugervereinigungen", Einkaufs-, Vermarktungs- und Kreditgenossenschaften nicht mehr sind als partielle Interessenvereinigungen von Privateigentümern zum Zwecke der Verbesserung der Realisierungsbedingungen des bäuerlichen Privateigentums, das damit Basis und Fixpunkt der Vereinigung bleibt.

Das genossenschaftlich-sozialistische Eigentumsverhältnis konnte nur in dem Maße Lebenskraft gewinnen, wie es gelang, die notwendigen Vermittlungen zwischen individueller Arbeitsleistung und genossenschaftlicher Gesamtarbeit, zwischen dieser und dem genossenschaftlichen Eigentum und individueller Aneignung zu entwickeln und zu beherrschen. Dazu gehört eine exakte Leistungsbewertung, ohne die das notwendige Maß für die individuelle Aneignung und die planmäßige Gestaltung des genossenschaftlichen Produktionsprozesses fehlt. Als spezifisches Maß für die individuelle Arbeit hat sich die Arbeitseinheit herausgebildet. Damit die ausgezahlten Arbeitseinheiten eine möglichst genaue Widerspiegelung des tatsächlichen Anteils des betreffenden Genossenschaftsmitgliedes am Gesamtergebnis der genossenschaftlichen Arbeit sein konnten, mußte eine entwickelte Arbeitsnormierung geschaffen werden. Hierfür hatte die sozialistische Agrarwissenschaft, speziell die Landarbeitsforschung, theoretischen Vorlauf zu schaffen und Musternormen auszuarbeiten. Für deren schöpferische Umsetzung und Modifizierung entsprechend den konkreten Standortbedingungen und der tatsächlich vorhandenen materiell-technischen Basis mußten in den LPG ausreichend qualifizierte und autorisierte Kader vorhanden sein. Daß unter den vorgefundenen Bedingungen zu diesem Idealzustand noch ein weiter Weg zurückzulegen blieb, mag die Tatsache belegen, daß 1954 z. B. im Kreis Aschersleben von 25 nur 14 LPG und im Kreis Köthen von 37 nur 17 LPG in ihren Mitgliederversammlungen Arbeitsnormen beschlossen hatten. Quelle!
In vielen Fällen wurden die Musternormen ohne hinreichende Prüfung, also schematisch angewendet. Bekannt wurden auch Beispiele der Gleichsetzung einer Arbeitseinheit mit einem achtstündigen Arbeitstag in der Feldwirtschaft bzw. eine ausschließliche Bemessung nach der Menge des betreuten Viehs.

Da wir es mit einem genossenschaftlichen Gesamtarbeiter zu tun haben, der dem Entwicklungsstand der Produktivkräfte entsprechend gegliedert ist, war auch die Arbeit zentralisiert zu planen, zu organisieren und zu bilanzieren. Wo eine derartige Gliederung des Gesamtarbeiters nicht in der nötigen Konsequenz durchgeführt wurde, traf die Beschreibung von J. Döhler zu, wonach es Genossenschaften gab, "in denen sich die Genossenschaftsbauern auch selber aufschreiben, in einem sogenannten Leistungsbuch. Manche schreiben auch gleich selber noch die Einheiten hinein. Von Zeit zu Zeit wird das eingesammelt, und dann sitzt der Brigadier die ganze Nacht und unterschreibt... . Das Mitglied selbst kann natürlich", so Döhler weiter, "seine eigene Arbeit im eigenen Interesse als Kontrolle zur Berichterstattung des Brigadiers auch noch mit notieren. Das ist klar. Aber ausschlaggebend für die Buchhaltung muß der tägliche Leistungsnachweis des Brigadiers sein." Quelle!
Ein Mindestmaß an Teilung zwischen leitenden und ausführenden Funktionen ist besonders in dieser Hinsicht vonnöten.

Wie sehr die zentralisierte Planung und Bilanzierung der genossenschaftlichen Arbeit als objektive Voraussetzung einer auf genossenschaftlicher Aneignung basierten individuellen Aneignung sich bei ihrer Nichtbeherrschung gegen die Eigentümer geltend machen kann und ihre Berücksichtigung ertrotzt, zeigen die Erfahrungen der LPG Buggenhagen (Kreis Wolgast), wo 1954 schon im August von den 20 000 geplanten und finanziell abgedeckten 18 000 verausgabt waren. Verweis!
Obwohl die Genossenschaftsmitglieder im unterschiedlichsten Maß am Zustandekommen dieser mißlichen Situation beteiligt gewesen sein dürften, wurden sie vom entsprechenden Schaden insofern gleichermaßen betroffen, als daß eine allgemeine Entwertung der Arbeitseinheiten eintreten mußte, wenn nicht staatliche Stützungskredite in Anspruch genommen werden konnten. Schlußfolgerungen, die in Richtung auf Vervollkommnung der genossenschaftlich-sozialistischen Produktionsverhältnisse wirken mußten, waren nach zweierlei Richtungen unvermeidlich.

  1. Die Festsetzung des "Wertes" einer Arbeitseinheit mußte auf eine exakte Planung des zum vorgesehenen Betriebsergebnis notwendigen Arbeitsaufwandes basiert werden.
  2. Der Anteil des einzelnen Mitgliedes an der genossenschaftlichen Arbeit mußte einer exakteren Messung unterworfen werden.

Als die Struktureinheit, welche eine zentralisierte Planung, Leitung und Bilanzierung der genossenschaftlichen Arbeit mit der angemessenen Teilnahme aller Genossenschaftsmitglieder an der kollektiven Arbeit vermittelte, hatte sich schon zu Beginn der Genossenschaftsbewegung in Anlehnung an die sozialistische Industrie die Brigade herauskristallisiert. Die Unübersichtlichkeit, wie sie sich aus der anfänglich starken Zersplitterung der Produktion ergab, mußte natürlich der Durchsetzung der Brigadearbeit entgegenwirken, insbesondere in der Viehwirtschaft. Neben der Überwindung dieser Schwierigkeit bei der Durchsetzung des sozialistischen Eigentumsverhältnisses auf Brigadeebene galt es, die Planung und Bilanzierung des genossenschaftlichen Produktionsprozesses so weit durchzusetzen, daß jede Brigade eine brauchbare Jahresproduktionsauflage erhielt, die die Produktionsziele, die Kostenvorgaben, verfügbaren Produktionsmittel und den geplanten Arbeitsaufwand verbindlich ausweist. Im Kreis Eisleben arbeiteten 1954 noch 19 von 46 und im Kreis Naumburg sogar 38 von 48 Brigaden ohne Jahresproduktionsauflage. "Wenn aber die Jahresproduktionsauflage fehlt, wird praktisch eine exakte Arbeit der Produktionsbrigaden unmöglich gemacht." Quelle!

Zu einer erfolgreichen Reproduktion des genossenschaftlichen Eigentumsverhältnisses müssen Planung und Bilanzierung alle Teile des genossenschaftlichen Reproduktionsprozesses durchdringen. Wenn eine LPG im Oktober nicht in der Lage war, Auskunft über die Höhe der Ernteerträge, der Milchleistung und den Erfüllungsstand des genossenschaftlichen Einnahmeplans zu gebenVerweis!, dann war ökonomisch bewußtes Verhalten der Genossenschaftsbauern im Sinne der Verwirklichung ihres Eigentumsverhältnisses nicht im mindesten gesichert. Im Bereich der Futterwirtschaft mußte sich eine ungenügende Ausgestaltung der Produktionsverhältnisse, in denen sich das genossenschaftliche Eigentum realisiert, so äußern: "In zahlreichen LPG erfolgt in Zeiten des Futteranfalls eine Futtervergeudung. Dadurch steht für die Winterfütterung nicht immer das entsprechende Rauh- und Saftfutter zur Verfügung." Quelle!

Wenn es der LPG nicht gelingt, sich - bezogen auf den gesamten Reproduktionsprozeß - als kollektiver Eigentümer zu formieren, dann muß das genossenschaftliche Eigentum eine inhaltslose Abstraktion bleiben, während im realen Verhalten und im Denken der Bauern eben dieses Eigentum als fremdes Eigentum erscheint, um dessen Reproduktion man sich nicht zu kümmern braucht. Diese Erfahrung hat auch die später sehr erfolgreiche LPG Schenkenberg gemacht, deren BPO-Sekretär1957 rückblickend einschätzte: "In der Vergangenheit war es so, daß die Mitglieder sagten: ‚Wir hier unten haben ja nichts zu sagen; das andere machen die da oben! ? "Quelle!, wobei darunter 3 bis 4 Funktionäre verstanden wurden.

Große Mühen zur Gestaltung der Beziehungen der Genossenschaftsbauern als gemeinsame Eigentümer liegen hinter dem, der sagen kann: "daß unsere Mitglieder jetzt endlich einmal dazu kommen, von sich aus zu sagen: ‚Das ist unsere LPG! ?"

Bei einer Verselbständigung des genossenschaftlichen Eigentums gegenüber den Mitgliedern kommt es dazu, daß sich diese im genossenschaftlichen Produktionsprozeß in einer Weise verhalten, wie sie der sozialökonomischen Stellung von Landproletariern entspricht. Noch 1964 sah sich Otto Rosenkranz veranlaßt, festzustellen: "Unsere Bauernhöfe sehen meist ordentlich und aufgeräumt aus. Sie gehörten guten Bauern. Von mancher LPG kann man das aber nicht behaupten. Wieviel Liter Milch von der individuellen Kuh verkauft worden sind, das wissen die meisten Bauern, aber schon längst nicht mehr so viele findet man, wenn es um die genossenschaftlichen Kühe, Schweine, Hühner oder auch Erträge des Feldbaus geht... . Weiß eine Kollegin, die für die Geflügelhaltung verantwortlich ist, aber nicht, wieviel Eier sie täglich produziert, wieviel es je Henne werden sollen, wie weit sie in ihrer Produktion gekommen ist und was die Genossenschaft für die Eier bekommt, dann rechnet sie ebensowenig, fühlt sich ebensowenig als Genossenschaftsbäuerin, wie jener Kollege Milchkontrolleur, der, von mir wiederholt gefragt, nicht wußte, wo seine beste Kuh steht - nicht einmal, welche bei der letzten Kontrolle die höchste Milchmenge gegeben hat." Quelle!
Auf noch krassere Beispiele der Entfremdung gegenüber dem genossenschaftlichen Eigentum braucht hier nicht eingegangen zu werden. Quelle!

Um das Problem theoretisch klar herauszukristallisieren, muß m. E. von einer deutlichen Unterscheidung der Stellung des einzelnen Genossenschaftsbauern einerseits im Arbeits- und andererseits im Aneignungsprozeß ausgegangen werden. Diese Unterscheidung wird evident, wenn es um die Analyse der Leitungsbeziehungen im Produktionsprozeß geht.

Methodologisch aufschlußreich und anregend ist die Differenzierung zwischen der Determination der Leitung einerseits durch die Natur des Arbeitsprozesses als kooperative Arbeit und andererseits durch das jeweilige Eigentumsverhältnis. Diese Unterscheidung findet sich bei Marx im Zusammenhang mit der Analyse der Genesis der kooperativen Arbeit und ihrer kapitalistischen Form. Gerichtet gegen Cairnes, aber bezogen auf den bürgerlichen Ökonomen schlechthin, schrieb Marx: "Bei Betrachtung der kapitalistischen Produktionsweise identifiziert er... die Funktion der Leitung soweit sie aus der Natur des gemeinschaftlichen Arbeitsprozesses entspringt, mit derselben Funktion, soweit sie durch den kapitalistischen und daher antagonistischen Charakter dieses Prozesses bedingt wird. Der Kapitalist ist nicht Kapitalist, weil er industrieller Leiter ist, sondern er wird industrieller Leiter, weil er Kapitalist ist. Der Oberbefehl in der Industrie wird Attribut des Kapitals, wie zur Feudalzeit der Oberbefehl in Krieg und Gericht Attribut des Grundeigentums war." Quelle!
In der weiteren Entwicklung des Kapitalismus ergibt es sich, daß die unmittelbare industrielle Leitung mehr und mehr bestimmten Angestellten, Beauftragten des Kapitalisten übertragen wird.

Grundsätzlich anders ist die Konstellation in der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft. Die Oberhoheit über den Produktionsprozeß als genossenschaftlicher Aneignungsprozeß obliegt dem Kollektiv der Eigentümer als ganzem. Demgegenüber macht sich im genossenschaftlichen Arbeitsprozeß das Prinzip der Einzelleitung und der abgegrenzten Verantwortungen (Genossenschaftsbauer oder Arbeiter)in einer Pyramide von Kompetenzen zwingend geltend, und zwar um so mehr, je entwickelter die Arbeitsteilung ist und je mehr industrieähnliche Produktionsmethoden Platz greifen.

Aus dieser dialektisch-widersprüchlichen Beziehung zwischen Arbeits- und Aneignungsprozeß ergibt sich ein grundlegender Bewegungswiderspruch sozialistischer Aneignung überhaupt: Der Einzelne (Genossenschaftsbauer oder Arbeiter) muß sich als Eigentümer auf den Standpunkt des genossenschaftlichen bzw. gesellschaftlichen Ganzen erheben, während er im Arbeitsprozeß weitgehend einer Teilfunktion zugeordnet ist. Damit dieser Widerspruch alltäglich und zunehmend effektiv gemeistert werden kann, müssen die genossenschaftlichen Produktionsverhältnisse als seine Bewegungsform begriffen und in diesem Sinne bewußt gestaltet werden.

Die zentralisierte Leitung des Arbeitsprozesses verläuft vom Vorsitzenden über die Leiter der Abteilungen, Komplexbrigaden und anderen relativ selbständigen Struktureinheiten und die Buchhaltung, weiter über die Leiter der Brigaden und Arbeitsgruppen bis zu den Mitgliedern, die mit der Ausführung bestimmter Arbeitsfunktionen betraut sind. Diese gesamte Leitungspyramide mit dem Vorsitzenden und dem Vorstand an der Spitze ist in ihrer ganzen Tätigkeit der Mitgliederversammlung als höchstem Gremium der gemeinschaftlichen Eigentümer unterstellt, verantwortlich und rechenschaftspflichtig. Wichtigstes Kontrollorgan der Mitgliederversammlung zur Gewährleistung ihrer Oberhoheit über alle Belange der Genossenschaft ist die Revisionskommission. Die Mitgliederversammlung entscheidet souverän über alle Angelegenheiten der Genossenschaft im Rahmen der gesamtgesellschaftlichen Interessen, wie sie z. B. In den verbindlichen Grundsatzregelungen der Musterstatuten vorgegeben sind bzw. sich aus der volkswirtschaftlichen Planung ergeben. Alleinige Kompetenz besitzt die Mitgliederversammlung bei Vertragsabschlüssen, Kooperationsvereinbarungen, Fondsverwendung, Investitionspolitik, Arbeitsnormung, Zusammensetzung der Leitungsorgane, Aufnahme und Ausschluß von Mitgliedern u. a. m. Zur Effektivierung ihrer Arbeit, zur Vorbereitung ihrer Beschlüsse und zur Kontrolle ihrer Durchführung beruft die Mitgliederversammlung Kommissionen für Planung, Normierung, Wettbewerb, Prämien, Technik, Brand- und Arbeitsschutz, individuelle Hauswirtschaften, Jugendarbeit, Kultur, Soziales, Wohnungen und - was besonders in den Jahren des Übergangs zur genossenschaftlichen Produktion wichtig war - Schätzung des eingebrachten Inventars.

Die genossenschaftliche Demokratie ist die Form, in der individuelles und kollektives Eigentümerverhalten sich bewegen. Mit Hilfe der genossenschaftlichen Demokratie können die Mitglieder in ihrer Gesamtheit mit wachsender Sachkenntnis, Schöpferkraft und Initiative alle Belange der Reproduktion ihres gemeinsamen Eigentums, der Basis ihrer individuellen Aneignung, gestalten. Unersetzliche Vorbedingung bewußten Eigentümerverhaltens ist aber die Durchschaubarkeit des Reproduktionsprozesses. Darum geht es, wenn es im Beschluß des VIII. Deutschen Bauernkongresses heißt: "Das Betriebsergebnis darf keine Geheimwissenschaft des Buchhalters und des Vorsitzenden sein. Die Mitglieder müssen wissen, wie groß das genossenschaftliche Vermögen ist, und sie müssen den Stand der Produktion und der Arbeitsproduktivität sowie die Kosten der Produktion kennen. Wenn eine LPG ökonomisch arbeiten soll, müssen alle Genossenschaftsmitglieder ökonomisch denken und mitrechnen lernen." Quelle!

Ein grundsätzliches Problem, an dem der Grad der realen Ausprägung des genossenschaftlich-sozialistischen Eigentümerverhaltens meßbar wird, ist die eigenverantwortliche Bestimmung des Verhältnisses von Akkumulation und Konsumtion. In dem Maße, wie sich Genossenschaftsbauern, von eigener Einsicht getragen, entschließen, einen Teil ihres genossenschaftlichen Gewinns in der erweiterten Reproduktion ihres gemeinsamen Eigentums anzulegen, haben sie das genossenschaftliche Eigentum nicht nur schlechthin als Basis der Befriedigung ihrer heutigen persönlichen Bedürfnisse begriffen, sondern auch als Verkörperung ihrer Zukunft. Ein weitblickendes Eigentümerverhalten setzte natürlich Klarheit über die Perspektive der Genossenschaften voraus. Ein enges Vertrauensverhältnis zwischen der Klasse der Genossenschaftsbauern und der Partei der Arbeiterklasse war dabei unabdingbar, galt es doch der Gefahr zu begegnen, daß ein Teil der Genossenschaftsbauern, überrollt vom Tempo der sozialistischen Umgestaltung, ideologisch hinter dieser zurückblieb. Wo die Bauern nicht die Gewißheit hatten, daß ihre Geschicke in der eigenen Hand liegen, sank das genossenschaftliche Eigentum zu einer Substanz herab, von der man, so gut es ging, zehrte, an der man Raubbau betreiben konnte. Ein solcher Zustand mußte beispielsweise eintreten, wenn die LPG Typ I spekuliert wurde, "Sicher werden wir bald zu Typ III gemacht."

Solange das genossenschaftliche Eigentum als stabile Grundlage der individuellen Aneignung ökonomisch nicht begriffen wurde, gab es genug Anlaß für Einschätzungen wie der folgenden aus dem Jahr 1962. "Es gibt Erscheinungen, daß der Wert der Arbeitseinheiten auf ein Maß erhöht wird, das mit der stetigen Entwicklung der Wirtschaftlichkeit der Genossenschaften nicht im Einklang steht. Eine einseitige Orientierung auf die Erhöhung des Wertes der Arbeitseinheiten führt, wenn nicht planmäßig auf den Austausch der verschlissenen Arbeitsmittel hingewirkt wird, dazu, daß der durch den moralischen und tatsächlichen Verschleiß der Arbeitsmittel im Prozeß der materiellen Produktion auf das Produkt übertragene Wert mitkonsumiert wird." Quelle!
Damit das genossenschaftliche Eigentum nicht auf solche Weise verspeist werden konnte, gaben die Musterstatuten zur Gewährleistung der Reproduktion den Mindestumfang der Zuführung zu den Grundmittelfonds vor. Von den Geldeinnahmen der Genossenschaften waren demnach im Typ I mindestens 5-20 % und im Typ III 8-20 % der Geldeinnahmen den Grundmittelfonds zuzuführen. Die meisten LPG aber bewegten sich am untersten Rand des Legalen. R. Müller gibt für die LPG Typ III einen DDR-Durchschnitt an

  • für 1958 von 8,1 %,
  • für 1959 von 7,8 %,
  • für 1960 von 8,4 % und
  • für 1961 von 8,7 %.
  • Quelle!
 

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