2.3.3. Die individuelle Hauswirtschaft

 

Die Großviehhaltung in den individuellen Hauswirtschaften der Mitglieder der LPG Typs III muß deutlich unterschieden werden von der individuellen Viehhaltung im Typ I und II. Im Typ III standen sich individuell und genossenschaftlich verausgabte Arbeit nicht mehr gegenüber als Tierproduktion und Grünlandbewirtschaftung auf der einen und Pflanzenproduktion auf der anderen Seite, wie dies in Typ I und II weitgehend der Fall war. Im Typ III waren bereits alle bedeutenden Produktionszweige unmittelbare Sphären des genossenschaftlichen Arbeits- und Aneignungsprozesses. Die individuelle Hauswirtschaft der Mitglieder der LPG Typ III stellte eine quantitativ klar begrenzte Ergänzung zur genossenschaftlichen Großproduktion dar.

Es scheint mir allerdings erforderlich, zu betonen, daß es sich bei den individuellen Hauswirtschaften um die letzte produktive Verwirklichung des Privateigentums innerhalb der Genossenschaften handelt, daß es demnach unrichtig ist, schlechthin von individueller Aneignung zu sprechen. Individuelle Aneignung ist in zwei prinzipiell zu unterscheidenden Verhältnissen möglich:

  1. unter Ausschließung der übrigen Individuen aus der Aneignung des bestimmten Produkts auf der Basis monopolisierter Produktionsbedingungen (und hier müssen wir von Privateigentum sprechen, ob es sich nun um die Aneignung fremder Mehrarbeit handelt oder ob die Aneignung auf eigener Arbeit beruht) und
  2. unter den Bedingungen vergesellschafteter Arbeit, wo sich das Individuum voll verwirklicht in dem hohen Marxschen Anspruch, daß der Sozialismus-Kommunismus nicht das Privateigentum wiederherstellt, "wohl aber das individuelle Eigentum auf der Grundlage der Errungenschaft der kapitalistischen Ära: der Kooperation und des Gemeindebesitzes der Erde und der durch die Arbeit selbst produzierten Produktionsmittel". Quelle!

Es geht hier keineswegs darum, die individuelle "Hauswirtschaft" juristisch zu fixieren, sondern um eine dialektisch-materialistische Unterscheidung der Produktionsweisen der Menschen. Und die Erfahrungen aus der Geschichte unserer LPG besagen eben auch - und mit durchaus aktueller Relevanz - daß sich individuelle Nebengewerbe immer dort in Spekulation, Aneignung fremder Mehrarbeit und Sozialismus fremden Verhaltensweisen entfalten, wo sie der gesellschaftlichen Kontrolle und Beschränkung entgleiten, wo sozialistische Eigentums- und Machtverhältnisse noch schwach sind bzw. eine Schwächung erleiden, wo sich die Subsumtionsbeziehung umkehrt und das Privateigentum sich mehr oder weniger stark dem gesellschaftlichen Eigentum unterwirft, wie dies noch 1961 in zahlreichen wirtschaftsschwachen LPG der Fall war, was G. Grüneberg folgendermaßen ausführt: "Einer der immer offenkundiger werdenden Widersprüche in der Entwicklung zurückgebliebener LPG Typ III besteht zum Beispiel in dem Mißverhältnis zwischen der Entwicklung der genossenschaftlichen Wirtschaft und der individuellen Hauswirtschaft. Das begünstigt Erscheinungen der Spekulation und führt dazu, daß die genossenschaftliche Wirtschaft darunter leidet und große Reserven der genossenschaftlichen Produktion nicht voll genutzt werden." Quelle!

Welche Bedingungen müssen gegeben sein, damit das Privateigentum in Gestalt der individuellen Hauswirtschaft dem genossenschaftlichen Eigentumsverhältnis subsumiert bleibt und sich die individuellen Interessen in Einklang mit den genossenschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Interessen verwirklichen können, damit die individuelle Hauswirtschaft als dynamisierende Ergänzung der genossenschaftlichen Großproduktion wirkt? Hinsichtlich des Umfangs der Hauswirtschaften sind besonders die folgenden Kriterien zu nennen:

  1. Ihre Versorgung ist möglich neben der vollen Teilnahme am genossenschaftlichen Produktionsprozeß.
  2. Das Einkommen aus der Hauswirtschaft bleibt ein Nebeneinkommen.
  3. Die Erlangung des entscheidenden Teils der Futterbasis ist nur im Austausch gegen einen äquivalenten Beitrag zur genossenschaftlichen Arbeit möglich, was entwickelte Rechnungsführung und Kontrolle voraussetzt und unmittelbar zusammenhängt mit
  4. Die individuelle Futterfläche gewährleistet keine erweiterte Reproduktion der individuellen Hauswirtschaft.

In einer von Cesarz untersuchten LPG wurden jedem kuhhaltenden Mitglied zusätzlich zu den 0,5 ha Ackerland noch 0,25 ha Grünland zur individuellen Nutzung übergeben. "Das Ergebnis einer solchen Methode ist, daß sich das Interesse der ehemaligen Einzelbauern auf die schnelle Entwicklung ihrer Hauswirtschaften richtet, in denen sie 1957 je Mitglied eine wertmäßige Produktion von 5239 DM erreichten." Quelle!

Sind die angegebenen Bedingungen gewährleistet, fördert die individuelle Hauswirtschaft die Teilnahme der Mitglieder an der genossenschaftlichen Produktion, wie Cesarz eingehend nachgewiesen hat,Quelle! erschließt Material- und Arbeitszeitreserven und festigt die Verbundenheit der Genossenschaftsbauern mit ihrer LPG. Negative Wirkungen wie Untergrabung des genossenschaftlichen Arbeitsvermögens, Behinderung bei der persönlichen Qualifizierung und Erschwerung einer umfassenden Teilnahme der Frauen am genossenschaftlichen Leben sind, so weit diese Wirkungen von einer Überarbeitung in der wenig produktiven individuellen Hauswirtschaft ausgehen können, auf dieser Grundlage in Grenzen zu halten.

 


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