4. 2. Veränderungen in der Realisierung des genossenschaftlich-sozialistischen Eigentums: Ausgliederungsprozesse und Entstehung kooperativer EinrichtungenDer Gliederung der nachstehenden Ausführungen liegt die zeitliche Abfolge des Beginns der verschiedenen Ausgliederungsprozesse zugrunde. Der erste Bereich, in dem die LPG in breitem Umfang die zwischenbetriebliche Kooperation entfalteten, war das Bauwesen. Soweit die einzelnen LPG überhaupt in der Lage waren, eigene Baubrigaden zu bilden, war deren Schlagkraft in der Regel doch sehr beschränkt, weshalb schon die V. LPG-Konferenz 1957 die Bildung gemeinsamer Baubrigaden empfahl. Quelle! 1965 wurde systematisch begonnen, den zwischengenossenschaftlichen Transport sowie den Umschlag landwirtschaftlicher Bezugs- und Absatzgüter aus den LPG auszugliedern und sie in den BHG zu zentralisieren. Einen Eindruck davon, wie groß die Entlastung des genossenschaftlichen Arbeitsvermögens und die Erhöhung der Effektivität des Einsatzes der materiell-technischen Basis der LPG war, die mit der überbetrieblichen Zentralisation der Umschlagarbeiten erreicht wurde, geben die nachstehend zitierten rückblickenden Ausführungen des Leiters der BHG Leisnig, Kreis Döbeln. "In den vergangenen Jahren verluden täglich oft 15 LPG Rüben. Jeden Tag waren also 40 bis 50 Genossenschaftsbauern während der Herbstmonate auf dem Bahnhof, um die Rüben mit der Gabel von den Hängern in die Waggons zu schaufeln. Da die Waggons nicht immer zu den gewünschten Terminen kamen, gab es viel Stillstandszeiten. Oft stauten sich vor dem Bahnhof bis zu 100 Hänger, das Verladepersonal stand ebenfalls unproduktiv herum." Mit der Zentralisation dieser Arbeiten wurde es beispielsweise möglich, einen gemeinsamen Rübenverladeplatz in der Nähe des Bahnhofs einzurichten, ein Hackfruchtverladegerät, Kräne, Annahmeförderer u. a. Geräte anzuschaffen. Der Arbeitskräftebedarf verringerte sich in Leisnig von 50 auf 6 Beschäftigte, was beim Verladen von 23 500 t Rüben und dem Entladen von 6000 t Naßschnitzel einer Einsparung von 60 000 AK/h und 180 000 MdN entspricht, wobei die Kosten, die sich aus den Warte- und Stillstandszeiten der Traktoren, Hänger und Arbeitskräfte vordem ergeben hatten, noch gar nicht eingerechnet sind. Quelle! Bedingt durch die Besonderheiten und die große Bedeutung des Umsatzes von Agrochemikalien ergab es sich, daß die Bäuerlichen Handelsgenossenschaften zunächst auch der institutionelle Träger für die entstehenden Agrochemischen Zentren wurden. Während die Agrochemiekalien durch die Industrie kontinuierlich angeliefert werden, ist ihr Verbrauch durch die Landwirtschaft diskontinuierlich. Sachgemäße Zwischenlagerung macht sich daher erforderlich. Die optimale Größe eines Düngemittellagers entsprach Mitte der Sechziger Jahre einer Ausbringungsfläche von 8 bis 16 000 ha. Auch die Anschaffung und der effektive Einsatz der Ausbringungstechnik sowie die Heranbildung qualifizierten Bedienpersonals überstiegen die Möglichkeiten einer LPG bei weitem. Diese Kapazitäten wurden als zwischengenossenschaftliches Eigentum daher gleichfalls zentralisiert entwickelt. Auch hierbei waren die BHG meist der institutionelle Träger, ging es doch darum, die Arbeit mit Agrochemikalien von ihrem Umschlag bis zu ihrer Ausbringung in einer Hand zusammenzufassen und die Transportkapazitäten effektiv auszulasten. Doch aus der Sicht der Anwendung von Agrochemikalien war die Zentralisierung im Rahmen der BHG nicht mit Notwendigkeit der einzige Weg. Beispielsweise wurde bereits 1961 im Landkreis Karl-Marx-Stadt eine gemeinsame Pflanzenschutzbrigade aller LPG und der MTS gebildet. Verweis! Je weiter sich die ACZ als zwischenbetriebliche Produktions- bzw. "Leistungs"-Einrichtungen mit einem spezifischen Arbeitsprozeß, einem selbständigen ganzjährigen Produktionsplan, einem festen Arbeitskollektiv und relativer ökonomischer und juristischer Eigenständigkeit profilierten, je mehr ihre produktiven gegenüber ihren Zirkulationsfunktionen an spezifischem Gewicht gewannen, desto weniger war ihre organisatorische Einbindung in die Bäuerlichen Handelsorganisationen gerechtfertigt. 1972 wurden die ACZ daher aus den BHG ausgegliedert. Bei der weiteren Vervollkommnung des ökonomischen und juristischen Status der ACZ waren zwei in entgegengesetzte Richtungen weisende Aspekte zu berücksichtigen.
Organisatorisch ist die Unterordnung der ACZ unter die Bedürfnisse der landwirtschaftlichen Produktionsbetriebe so geregelt, daß die LPG auf drei Ebenen folgendermaßen ihre Rechte wahrnehmen können.
Trotz dieser klaren Regelungen sah sich G. Grüneberg im Februar 1980 anläßlich einer zentralen Beratung mit den Leitern und Parteisekretären der ACZ gezwungen zu einer schwerwiegenden Feststellung. "Nach unserer Einschätzung reichen die Fortschritte, die wir bei der politischen Klärung des zwischengenossenschaftlichen Charakters der Agrochemischen Zentren erreicht haben, noch nicht aus." Quelle!
Eine effektive, also auch den konkreten Bedingungen flexibel Rechnung tragende Arbeit der ACZ gebietet danach zu streben, die Vorzüge des erreichten Vergesellschaftungsgrades in der Chemisierung sinnvoll mit einem Maximum an dezentraler Arbeitsweise zu verbinden. Dem entspricht das seit 1980 verstärkt in Anwendung gebrachte Territorialprinzip in der Arbeitsorganisation der ACZ. Es wurden Brigaden bzw. Arbeitsgruppen gebildet, in deren Zusammensetzung und Zuordnung der Wohnort bzw. die Herkunft der Werktätigen stärker als bisher berücksichtigt wurden. Mit der relativ festen Zuordnung dieser Brigaden und Arbeitsgruppen zu bestimmten Landwirtschaftsbetrieben stellen sich die Fragen, die mit dem Status der Werktätigen der ACZ zusammenhängen, in neuer Weise. Wie sind ihre Beziehungen zum genossenschaftlichen Eigentum, zum Boden und zur Reproduktion seines Leistungsvermögens möglichst wirkungsvoll zu gestalten? In welchem Maße sind die Werktätigen der ACZ der einheitlichen Leitung des genossenschaftlichen Produktionsprozesses zu unterstellen? Endlösungen und Universalrezepte sind aber keineswegs zu erwarten, denn die Probleme sind allzu komplex und vielgestaltig. Wie die ACZ sind auch die Mischfutter-, Pelletier- und Trocknungsanlagen als kooperative Einrichtungen der Pflanzenproduktionsbetriebe entstanden. Ebenso wie die ACZ erhielten sie den Status von "juristischen Personen", arbeiten mit festen Kollektiven nach eigenen Jahresproduktionsplänen; ihr Wirkungsfeld entspricht dem Territorium mehrerer landwirtschaftlicher Großbetriebe. Auch die Produktion der Mischfutter-, Pelletier- und Trockenwerke ist stärker konzentriert als die der primären Landwirtschaft. Hinsichtlich ihrer ökonomischen Stellung besteht der wesentliche Unterschied zu den ACZ darin, daß sie nicht Hilfsprozesse ausführen, sondern eine selbständige Verarbeitungsstufe repräsentieren, die der Pflanzenproduktion nach- und der Tierproduktion vorgelagert ist. Hieraus folgt, daß sie nicht mit der gleichen Notwendigkeit wie die ACZ als kooperative Einrichtungen betrieben werden müssen. 1965 existierten 65 landwirtschaftliche Trocknungsanlagen, davon waren 15 zwischengenossenschaftliche Einrichtungen. Quellenverweis! Mit der Schaffung größerer Verarbeitungskapazitäten und der Einführung ihrer mehrschichtigen Auslastung wurde in den siebziger Jahren eine Verdreifachung der jährlichen Trocknungsstunden je Aggregat erreicht.. Damit vergrößerte sich natürlich auch das Einzugsterritorium derartiger Anlagen beträchtlich. Die Verantwortung für die effektivste Auslastung einer Trocknungs-, Pelletier- oder Mischfutteranlage konnte kaum noch im Rahmen des Gemeinschaftseigentums weniger LPG wahrgenommen werden. Sie wuchs mehr und mehr den Räten der Kreise zu. "In seinem Territorium ist der RdK für die technische Trocknung zuständig. Er kontrolliert die Auslastung der Kapazität, koordiniert die vertragliche Bindung und Frischgutbereitstellung für Trocknung und Pelletierung auf der Grundlage der vom RdB mit dem Volkswirtschaftsplan übergebenen Bilanzanteile nach Fruchtgruppen, kreisen und Trockenwerken." Quelle! Konzentration und Zentralisation in nachgelagerten Produktionsstufen wirken stets auf die vorgelagerten Stufen zurück. Die Errichtung von Mischfutterwerken erfordert Konzentration der Grünmasseerzeugung in ihrer unmittelbaren Nähe. Sie setzt also voraus, bzw. bewirkt verstärkte Spezialisierung zwischen den Anbaubetrieben eines bestimmten Territoriums und erweitert so die Möglichkeiten zur Einführung industriemäßiger Produktionsmethoden. Mitte der siebziger Jahre war die DDR bereits mit einem dichten Netz von Mischfutter- und Pelletierwerken und Anlagen der technischen Trocknung überzogen. 1978 existierten 263 derartige Produktionsstätten. Quelle! Während die Errichtung von Anlagen zur industriemäßigen Grünmasseverarbeitung der Schaffung einer zusätzlichen Verarbeitungsstufe gleichkam, die die Produktion in den LPG mittelbar veränderte, bedeuten die kooperativen Einrichtungen der Tierproduktion eine ganz unmittelbare Veränderung der landwirtschaftlichen Primärerzeugung. Bestimmte Produktionsstufen wurden aus den einzelnen Genossenschaften ausgegliedert und überbetrieblich konzentriert. Im Rahmen der Kooperation können organisatorische Fragen, die sich aus dem Widerspruch zwischen relativ hohem Vergesellschaftungsgrad einzelner Produktionsstufen und relativ zersplitterter Produktion in den vor- und nachgelagerten Stufen ergeben, verhältnismäßig unbürokratisch und mit größter Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten gelöst werden. Solche Fragen stehen beispielsweise in Zusammenhang mit der termin- und qualitätsgerechten Zulieferung von Ausgangsprodukten (Tiere und Futter) oder der Bereitstellung genügend qualifizierter Arbeitskräfte. Bei zu großer Dimension industriemäßiger Anlagen und damit einhergehend großer Zahl von Kooperationspartnern in einem relativ großen Einzugsgebiet mit mannigfaltigen Interessenlagen kommen auch Faktoren zur Geltung, die den zwischengenossenschaftlichen Charakter des Eigentums an den industriemäßigen Produktionsanlagen praktisch in den Hintergrund treten lassen. An der Schweinemastanlage Hoyerswerda-Kühnicht beteiligten sich z. B. 25 LPG Typ I und 8 LPG Typ III. Verweis! 1977 existierten 336 ZGE bzw. ZBE Tierproduktion. Die Struktur der Tierproduktion in unserer Republik wurde durch diese Einrichtungen allerdings nur punktuell verändert. Der Anteil der Schweinehaltung in herkömmlichen Anlagen verringerte sich zwischen 1970 und 1975 nur von 70 auf 68 %. Quelle! Aus der Sicht der Reproduktion des genossenschaftlichen Eigentums besteht die wichtigste Besonderheit der zwischengenossenschaftlichen Kooperation darin, daß nunmehr ein Teil des genossenschaftlichen Eigentums außerhalb der LPG reproduziert wird. In den Zweigen, die von der Kooperation in Gestalt von Ausgliederungsprozessen erfaßt werden, hört die einzelne LPG auf, eine relativ abgeschlossene Einheit von Produzenten und Eigentümern zu sein. Die einzelne LPG verwandelt sich in eine Grundzelle eines arbeitsteilig produzierenden Organismus, in welchem ein Mindestmaß an zentralisierter Leitung in den Erzeugnislinien erforderlich ist. "Für die komplexe Koordinierung ist entscheidend, daß die termingerechten Lieferungen nicht den einzelnen Partnern überlassen bleiben, sondern unter dem Aspekt der Stufenproduzenten der gesamten Erzeugnislinie effektiv gesteuert werden." Quelle! Die Interessen der kooperierenden Genossenschaften erden in der rechtlichen Gestaltung der Kooperationsbeziehungen vielfältig gewahrt. Wie bereits ausgeführt, bedarf die Entscheidung aller Grundfragen der Entwicklung von kooperativen Einrichtungen der Zustimmung der Mitgliederversammlungen aller beteiligten Genossenschaften. In bestimmten Hinsichten sind die Mitgliederversammlungen der einzelnen LPG aber nicht in der Lage, kompetent die Initiative zu ergreifen. Das betrifft insbesondere die Standortbestimmung für Gemeinschaftseinrichtungen, die Zusammenführung der erforderlichen Zahl von Partnern, die Koordinierung von Vertragsabschlüssen, die Kontrolle ihrer Erfüllung und die technologisch bedingten Regelungen in der Betriebsordnung. In der Führung des Übergangs zur industriemäßigen Produktion ist die Initiative nur noch auf einer höheren gesellschaftlichen Ebene effektiv wahrzunehmen. Diese Ebene wird von den Räten der Bezirke repräsentiert - daß die genossenschaftliche Demokratie in dieser Konstellation nicht zu einer bloßen Formalität herabsinkt, bleibt eine ständige Aufgabe. Die Mitwirkung der Genossenschaftsbauern als Eigentümer ist unerläßlich für die Vermeidung von Fehlentscheidungen. |