Von den Schwierigkeiten und Grenzen des Transfers zwischen den Kulturen

"Schreibt der Autor über Vulkane, so muß auch der Übersetzer in bestimmtem Maß zum Vulkanologen werden. Schreibt er über eine Persönlichkeit der Geschichte, so muß auch der Übersetzer sich das Wissen über diese Persönlichkeit erarbeiten, um den speziellen Zugang seines Autors, die innere Logik seiner Darstellung, besser zu begreifen. Vor allem aber muß er sich den kulturellen und historischen Kontext seines Werkes aneignen und ihn durch die Übersetzung vermitteln." (zitiert aus © Thomas A. Keck: "Vom Wert der literarischen Übersetzung", in "Kunst und Kultur", H.5/1997.

Viel einfacher scheint sich das Problem darzustellen für Tore Nordenstam. Wir zitieren ihn im Folgenden aus einem Interview in © "Humboldt Kosmos Online" der Alexander-von-Humboldt-Stiftung. Die Hauptthese des gebürtigen Schweden und Professor emeritus an der Universität im norwegischen Bergen lautet:

"Der Mensch ist in vielen Kulturen zu Hause. Übersetzungen sind immer möglich. Warum? Weil es Reaktionsmuster gibt, die bei allen Menschen gleich sind."

Um Struktur in unsere Gedanken zu bringen, unterscheiden wir mit Nordenstam zwischen Quell- und Zielkultur einer Übersetzung. Aussagen, die zu übersetzen sind, sind jeweils in Situationen eingebettet. Nun kommt es darauf an, ob sich der Leser aus der Zielkultur in die Situationen hineinversetzen kann, die in der Quellkultur gesetzt sind. Während zwischen nahe verwandten Kulturen eine Wort-für-Wort-Übersetzung möglich ist, reicht solches bei weiter entfernteren Kulturkreisen nicht aus.

Tore Nordenstam führt als Beispiel die zentralen ethischen Begriffe Würde, Ehre und Stolz an. Was sie im Arabischen bedeuten und was im Europäischen ist von völlig unterschiedlichen tradierten Lebenszusammenhängen geprägt. "Daraus ist zu schließen, dass ein übersetztes Stück Belletristik entweder oberflächlich bleiben muss. Oder es wird durch ständige Ausschweifungen so langweilig, dass man es gar nicht lesen möchte. Übersetzungen von literarischen Werken sind immer Umschreibungen."

Aber Nordenstam gibt sich damit nicht zufrieden. "Was gibt es, das arabische, lutherische und deutsche Alltagsethik gemeinsam haben? Eigentlich eine ganze Menge. Man muss aber in die Tiefe, um das herauszufinden, und darf nicht an der Oberfläche bleiben."

"Der Übersetzer darf nur übersetzen, was er versteht." Das sagt Swetlana Geier, zitiert in einem Werkstattbericht der Uni Regensburg. Gemeint ist ein Verstehen des landeskundlichen und historischen Zusammenhangs, in welchem das jeweils zu übersetzende Werk mit all seinen Fasern steht und gleichzeitig ein Durchdringen der künstlerischen Gestalt des Textes. Mit diesen Fähigkeiten des Hineindenkens und sich Hineinarbeitens sollte ein Leser des Orginaltextes ausgestattet sein. Vom Übersetzer wird nun aber gleichermaßen erwartet, dass er dies angemessen (was immer das sein mag) in die Sprache der Zielkultur herüberholt.

Das hat Grenzen, wie Gisela Kraft anhand eines Stückes anatholischer Lyrik von Fazil Hüsnü Daglarca herausgearbeitet hat. Das sollte man hören! Gisela Kraft in einem unveröffentlichten Feature von Jürgen Trinkus, 1996!

Es ist wohl eher ein Kokettieren mit dem Gegenstand, wenn Thomas Reschke meint, der Übersetzer sei nur ein besonders aufmerksamer Leser. Es ist ja eines, ein fremdsprachiges Buch in den eigenen Kopf zu übersetzen, und etwas andeeres, ihm eine künstlerisch gültige Wiederschöpfung zu verleihen.

 

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Erstellt am 20.12.2002Zuletzt geändert am 06.01.2003