Ob dies eine typische Woche ist, mag dahin gestellt bleiben. Es war die Woche, deren Programm mir als einziges in die Hand fiel, als ich im elterlichen Haus meine papierene Hinterlassenschaft zu lichten hatte. Was mir da in die Hände fiel, war eigentlich ein Wegwerfheft zum kurzfristigen Gebrauch. Nun hat diese Blindenschriftzeitschrift aus der Deutschen Zentralbücherei für Blinde zu Leipzig mit dem Titel "Der Überblick" zufällig überlebt. Und jetzt entnehme ich ihr ein so aufschlussreiches Zeitdokument aus dem Medienalltag einer untergegangenen Gesellschaft. Und so erlegte ich mir die Selbstgeißelung auf, das ganze Zeichen für Zeichen abzutippen und allen zur Verfügung zu stellen, die mit Hilfe dieses Dokuments eigene Erinnerungen zu ordnen gedenken oder ihr Bild der Zeit zu prüfen suchen. Einen verblichenen Pathos parodierend, könnte ich sagen: dies ist mein Beitrag zu Ehren des 30. Jahrestages, denn die dokumentierte Woche im September 1975 liegt nun, da ich sie abtippe, 30 Jahre zurück.

Quellen:

Das Radioprogramm stammt aus dem "Rundfunkjournal" 37/75, das Fernsehprogramm aus "Freie Welt", 36/75.

Darstellung.

Ich habe mich für die tabellarische Form mit Navigationshilfen entschieden. Das sind nun 425 Zeilen Hörfunk und 184 Zeilen Fernsehprogramm geworden. Die Zahl der Tippfehler ist hoffentlich nicht zu groß.

Bemerkungen zum Hörfunkprogramm

Überspringen! Up!

Vier Hörfunkprogramme sind abgedruckt. Die Berliner Welle gab es nicht mehr und Jugendradio DT 64 noch nicht.

Die ganze Wahrheit ist das noch lange nicht. Raido DDR II beginnt um 10:00 Uhr. Warum nicht früher? Nun, auf diesen Frequenzen senden bis dahin die Regionalprogramme der Sender Weimar, Leipzig, Dresden mit dem Studio Karl-Marx-Stadt, Halle mit Magdeburg, Cottbus, (wie war das doch gleich mit Frankfurt und Potsdam?), außerdem Schwerin mit dem Studio Neubrandenburg und Rostock. Aus Rostock kam zudem von 1. Mai bis 30. September das einzige regionale Vollprogramm (täglich bis 20:00 Uhr): die Radio-DDR-Ferienwelle.

Stereo-Sendungen wurden 1975 noch gesondert ausgewiesen durch ein Symbol, das ich nicht rekonstruieren kann. An seiner Stelle findet sich in der Übersicht das Wort "(stereo)".

Die wiederkehrenden Sendungen wurden ab Mittwoch weggelassen.

Leider sind wochentags der Morgen und der Vormittag nicht abgedruckt. Es fehlen also die Morgengymnastik und die Kindersendungen "Piffikus", "Was ist denn heut' bei Findigs los" und "Aus dem Butzemannhaus" ebenso wie der Frauenfunk und die Wasserstandsmeldungen und Tauchtiefen. Wer die Frühstücks-Show "Sonntagmorgen in Spreeathen" vermisst, dem sei entschuldigend gesagt, dass auf diesen Sonntag die Kundgebung für die Opfer des Faschismus fiel.

Wer damals nicht zu den aufmerksamen Hörern gehörte, wird oft kaum ahnen, was sich hinter bestimmten Sendetiteln verbirgt. "Aus der Praxis der sozialistischen Rechtspflege" - das wr die Sendereihe "Nicht nur eine Akte" von Dr. Udo Krause mit etwas, was im Rechtsstaat unmöglich ist: stereophonen Mitschnitten aus real existierenden Gerichtsverhandlungen.

Unvollständigkeit des Fernsehprogramms:

Up!

Für jeden Tag ist treulich die Hauptausgabe der "AK" vermerkt, nie jedoch das Wetter um 19.25 oder das Sandmännchen um 18.50 Uhr. "Rund" - das war Jugendfernsehen. "Vier Panzersoldaten und ein Hund" war die vielleicht blödeste Comedy über den zweiten Weltkrieg und kam aus der VR Polen - soll heute (wieder?) Kult sein. "Tausend Tele-Tips" hieß die Werbung, aber in meiner Erinnerung waren die Tele-Tips kürzer, gab's am Sonnabend um 19:00 Uhr zur familiären Abendbrotzeit die "Tele BZ" oder eine Trickfilmserie. Die langen Pausen über Mittag und der recht frühe Sendeschluss aber sind real abgebildet. Selbst am Sonnabend endet das Programm um 23.30 Uhr mit den letzten Nachrichten.