II. Boltenhagener Bücherfrühling 6. bis 10. Mai 2000

Alles im überblick

Der 6. Mai ist ein guter Tag, den Bücherfrühling mit einem erlesenen Tropfen zu beginnen. Dies ist der Tag, an dem vor zwei Jahren das "Haus Seeschlößchen" nach aufwendiger Rekonstruktion seh- und auch gehbehindertengerecht, modern und schön und in unverrückbar bester Lage wiedereröffnet wurde.

Auch die Abschlußveranstaltung des II. Boltenhagener Bücherfrühlings wird ein Publikumsmagnet sein. "Der Große Stengel" (Buchtitel aus dem Eulenspiegel-Verlag) lädt ein zum "Spiel 77" (noch kann der Autor so mit seinem aktuellen Lebensalter kokettieren). Am 9. Mai also endet der Bücherfrühling in Boltenhagen mit einem "Stenglischen Abend" auf Hans Georg Stengels "Wortspielwiese".

Und in den Tagen zwischen Wein und Reim? Da gibt es Lesungen, Spaziergänge, Einblicke in die Arbeit einer Blindenbibliothek sowie ein Verlagsporträt. Dazu begrüßen wir in diesem Jahr den Demmler-Verlag aus Schwerin, und es geht auch um dessen und etlicher anderer Verlage Autor Jürgen Borchert.

Wenige Tage, bevor Jürgen Borchert ganz unerwartet seinem Leben ein Ende setzte, hatten wir alles vorbesprochen. Sollen wir jetzt einfach zu einer neuen Tagesordnung übergehen? Nein, einen Jürgen-Borchert-Abend muss es geben.

"Erinnerungen für die Zukunft" heißt ein Hörfunkprojekt des Norddeutschen Rundfunks, welches seit 7 Jahren nordostdeutsche Lebensgeschichten aus 50 deutschen Jahren nachspürt und fürs Radio aufarbeitet. Entstanden ist in diesem Hörfunkprojekt auch ein Buch des gleichen Titels. Es wird in Boltenhagen vorgestellt vom Projektleiter und Koautoren E.-J. Walberg.

Dank der schon gut gewachsenen Beziehungen zu Autoren und Verlagen ist es den Veranstaltern auch möglich, Bücher vorzustellen, die erst noch erscheinen. "Das Geheimnis von Mecklenburg" will der WeymannBauer Verlag erst im Herbst enthüllen. Der Autor Bernd Melzer, den wir schon von der "Unernsten Geschichte Mecklenburg-Vorpommerns" und dem "Handbuch Deutschen Benehmens" kennen, wird in Boltenhagen eine "Vor"lesung abhalten.

Ein solches anspruchsvolles Programm muß selbstverständlich finanziert werden. Zahlende Gäste reisen - wie gesagt - an aus ganz Deutschland. Aber sie allein können die Kosten nicht decken. Als Mitveranstalter und Unterstützer konnten gewonnen werden:

Die Gemeinde Boltenhagen (Stenglischer Abend) und

der Norddeutsche Bücherfrühling.

Für freundliches Entgegenkommen ist auch dem NDR zu danken. Und selbstverständlich erhoffen sich die Veranstalter auch einen gehörigen Rückenwind von der regionalen Presse.


Das Programm auf einen Blick

Datum

Anfangszeit

Veranstaltung

Sa.06.05.

19:30

Vom Weine wird ewig gesungen -
800 Jahre Weinanbau in Mecklenburg-Vorpommern und Ostbrandenburg.
Buchpremiere aus dem Hinstorff Verlag
Gerhard Flick und Karsten Förster haben nicht nur Beiträge zum Weinanbau in einer dafür keineswegs berühmten Gegend gesammelt und in einem Buch des Hinstorff Verlages zusammengefasst.
An der Buchpräsentation und Weinverkostung wird auch Dr. Klaus Selbig teilnehmen. Er ist Leiter des Buchbereiches im Hinstorff Verlag.

So.07.05.

10:00

Das Geheimnis von Mecklenburg -
eine Vorablesung aus dem humor- und spannungsgeladenen Roman um Spökenkieker, Esoterik und Agenten von Bernd Melzer, der im Herbst bei Weymann & Bauer in Rostock erscheinen soll.

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16:00

Das Verlagsportrait: Der Demmler-Verlag Schwerin.
Im Gespräch mit Dr. Margot Krempien wird deutlich, wie mit unbedingtem Engagement und der Konzentration auf ein klares Profil ein Lebenstraum erfüllt wird: die Existenz eines kleinen, feinen, geachteten Verlages.

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19:00

Jürgen Borcherts Lebenswelten oder: Wer singt da keine Klage?
Der bekannte Autor Jürgen Borchert ist tot. Menschen, die mit ihm arbeiteten, erinnern an den Autor. Erstmals wird öffentlich aus des Zettelkastens viertem Teil gelesen, der im Herbst bei Hinstorff erscheint. Akteure der Veranstaltung sind u.a. Dr. Werner Stockfisch, Dr. Margot Krempien, Dr. Klaus Selbig und Dr. Jürgen Trinkus.

Mo.08.05.

10:00

Literatur in meinem Leben. Die bis dahin Publikum waren, sprechen miteinander über sich und die Lüste des Lesens und Schreibens.

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14:00

Informationen über Veranstalter und Akteure

Programmgestaltung: Dr. Jürgen Trinkus:
Rudolf-Breitscheid-Straße 12
17489 Greifswald
Telefon: 03834 / 50 3707
E-Mail: trinkus-mv@t-online.de

Vom Weine wird ewig gesungen

Aus dem Verlagsprospekt:

Wer weiß heute noch, dass Mecklenburg-Vorpommern und Ostbrandenburg seit 800 Jahren Regionen des Weinbaus sind, sich in Mirow, Güstrow, Neukloster, Schwerin, Crivitz, Lübz, Plau, Grevesmühlen, Burg Stargard, in Frankfurt/Oder und Umgebung Weinberge fanden, wo versucht wurde, Reben zu züchten? Wem zudem ist gegenwärtig, dass es in Rattey, 25 km östlich von Neubrandenburg, in unmittelbarer Nähe des Schloßhotels heute einen Weinberg gibt? Der "Verein der Privatwinzer zu Rattey" will das fortsetzen, was vorangegangene Generationen mit immerhin wechselndem Erfolg versucht haben: Weinbau im kühlen Mecklenburg-Vorpommern. Karsten Förster und Gerhard Flick suchten Spuren vormaligen Geschehens in alter Literatur und fanden Beiträge aus verschiedenen Jahrhunderten, die sie zusammengestellt und durch eigene Darlegungen vorzüglich ergänzt haben. Sie bewahren damit nicht nur ein besonderes Stück Kulturgut, sondern weisen darüber hinaus auf Möglichkeiten des Weinbaus im Mecklenburg der Gegenwart hin. Wie wird zu Beginn des Werkes über den Weinbau aus dem Jahre 1877 so treffend bemerkt? Vom Weine wird ewig gesungen und selten erzählt. In diesem Buch nun wird viel und oft erzählt von einer kulturhistorischen Besonderheit in Regionen, die nur auf den ersten Blick "zu kalt" für das Gedeihen der Reben scheinen.

Gerhard Flick:
- geboren 1960 in Bad Kreuznach,
- Studium der Agrarwissenschaften und
- Promotion zum Dr. sc. agr. 1985,
- war Mitarbeiter an der Biologischen Bundesanstalt Braunschweig und ist
- seit 1994 Professor für Chemie und Umweltanalytik am Fachbereich Agrarwirtschaft und Landespflege der Fachhochschule Neubrandenburg.
- Mehrere Jahre leitete er den elterlichen Weinbaubetrieb.
Zahlreiche wissenschaftliche Veröffentlichungen.
Karsten Förster:
- geboren 1954 in Bremen,
- Jurastudium und
- Promotion zum Dr. jur. 1982,
- ist Fachanwalt für Insolvenz- und Arbeitsrecht,
- seit 1982 in Bremen.
- Zahlreiche juristische Publikationen, Mitherausgeber der Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht.

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Das Geheimnis von Mecklenburg (7.5.2000, 10:00):

Bernd Melzer (Jahrgang 1941) lässt sich im Leben und in der Literatur nicht so leicht auf eine Rolle festlegen.
In Rostock
- hat er Familie,
- schreibt er Kritiken,
- organisiert er Karikaturausstellungen und das Finanzwesen ganzer Vereine und
- schreibt er Bücher.
Mit dem "Handbuch Deutsches Benehmen" (1998) hat er eine Sammlung skurriler Phänomene des Alltagsverhaltens der Deutschen vorgelegt.
Mit "Die unernste Geschichte Mecklenburg-Vorpommerns" (1994) hat er eine Reihe in Gang gesetzt, die mit der unernsten Geschichte Sachsens, Thüringens, Brandenburgs und gar des Saarlandes fortgesetzt wurde.
Alle diese Bücher sind im WeymannBauer Verlag Rostock erschienen.
Dort soll auch die turbulente Geschichte um "Das Geheimnis Mecklenburgs", im Herbst herauskommen. Es geht um Spökenkieker, Esoterik und Geheimdienste, also ums pralle Leben, aus dem ein Autor wie Melzer humorvoll zu fabulieren weiß.

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Jürgen Borcherts Lebenswelten oder: Wer singt da keine Klage (7.5.2000 19:00)

Jürgen Borchert
- (geboren 1941 in Perleberg) war ein Wunschgast für den II. Boltenhagener Bücherfrühling und alles war schon abgesprochen, als uns die Nachricht erreichte, dass er am 1. März seinem Leben ein Ende gesetzt hat. Der Mensch ist nur noch in der Erinnerung; sein umfangreiches Werk führt sein eigenes Leben. Schon längst geplant war des "Zettelkastens" vierter Teil. Er wird im Herbst bei Hinstorff erscheinen. Die erste öffentliche Lesung daraus wird am 7. Mai stattfinden, in Boltenhagen, im "Haus Seeschlößchen". Er selbst hatte angekündigt, er wolle aus "Heinrich Seidels Lebenswelten oder Die Nachtigall singt keine Klage" lesen. Dieser biographische Roman ist im Schweriner Demmler-Verlag erschienen, und der wird am Nachmittag vorm Borchert-Abend porträtiert, wozu wir Frau Dr. Margot Krempien, die Gründerin und Leiterin des Verlages begrüßen können.

In einem Infotext über Jürgen Borchert lesen wir:

"Er erlernte den Fotografenberuf und studierte Bibliothekswesen in Berlin und Leipzig. Seinen dritten Beruf, die freie Schriftstellerei, übt er seit 1980 aus. Sein Thema ist Norddeutschland, insbesondere liegt ihm Mecklenburg am Herzen: Kulturgeschichte, Biografisches, das Verhältnis von Mensch und Landschaft..."

Zu denen, die er in Romanform kenntnisreich porträtierte, gehören bedeutende Persönlichkeiten der Mecklenburgischen Kulturgeschichte wie Fritz Reuter, Ludwig Reinhard, Hoffmann von Fallersleben, Mecklenburgs Großherzöge, Alexandrine, "die "Königin" von Mecklenburg", Johannes Gillhoff u.a. Seine mehr als 30 Bücher auch nur zu nennen sprengt unseren Rahmen. Greifen wir nur seine Gillhoff-Edition "In'n Duurnbusch fläut't de Nachtigall" und sein anderes Kochbuch heraus: "Vadder kocht oder Wie man eine Küche verwüstet".

Als Hörbuch ist in der Deutschen Zentralbücherei für Blinde zu Leipzig "Reuter in Eisenach. Die Briefe des Physikus Schwabe" erschienen. In Punktschrift liegen ebendort vor: "Spaziergänge in Mecklenburg".
Hier ist eine Abbiegespur zur Deutschen Zentralbücherei für Blinde zu Leipzig!

"Wer jemals einer seiner Lesungen zuhörte, wurde in die vorgetragenen Geschehnisse hineingezogen und spürte dennoch, dass selbst im Grotesken letztlich Zeitkritik lag." So schrieb Werner Stockfisch in seinem Nachruf (Schweriner Volkszeitung vom 8.3.2000). Werner Stockfisch ist u.a. auch Autor des Demmler-Verlages ("Farbenklänge", 1994; "Mecklenburg", 1993) und wird unseren Borchert-Abend mitgestalten.

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Eine Blindenbibliothek stellt sich vor (8.5. 2000 14:00):

Die "Norddeutsche Blindenhörbücherei e.V." hat ihren Sitz in Hamburg in der Herbert-Weichmann-Str. 44-46 im Stadtteil Uhlenhorst. Die "Centralbibliothek für Blinde" befindet sich im gleichen Gebäude. Beide sind vereint in der "Stiftung Centralbibliothek für Blinde" und werden von Frau Elke Dittmer geleitet. Sie ist gleichzeitig ehrenamtliche Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Blindenhörbüchereien im deutschsprachigen Raum. In Boltenhagen wird sie Einblicke in ihre interessante Arbeit gewähren.
Im Internet sind die Hamburger präsent unter der Adresse http://www.blindenbuecherei.de. Dort erfahren wir u.a. folgendes Wissenswerte.

Die "Centralbibliothek für Blinde" wurde 1905 auf Anregung einiger Hamburger Bürger gegründet. Dank des Einsatzes vieler Helfer wurden mittels spezieller Blindenschriftschreibmaschinen Bücher in Brailleschrift übertragen. Im Ersten Weltkrieg wurde ein Teil des Bestandes vernichtet. Ein kontinuierlicher Bestandsaufbau konnte erst nach dem Zweiten Weltkrieg wieder betrieben werden.
Seit einigen Jahren ist die Centralbibliothek für Blinde eine Stiftung und Zuwendungsempfängerin der Hansestadt Hamburg.
Zur Zeit verfügt die Bibliothek über einen Bestand von 7.000 Buchtiteln in 30.000 Blindenschriftbänden. 15.000 Bände werden an 700 Leser pro Jahr ausgeliehen.
Vielen im Alter erblindeten Menschen ist es nicht mehr möglich, die Blindenschrift (Braille) zu erlernen. Hören ist ihr einziger Zugang zur Literatur. Aus diesem Grund erweiterte man Ende der 50er Jahre den Bestand der Blindenschriftbücher durch das Hörbuch.
Die Norddeutsche Blindenhörbücherei e.V. wurde 1958 gegründet und ist ein Verein der Kriegs- und Zivilblindenvereine der vier norddeutschen Bundesländer Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein.
Verlage erteilen die benötigten Lizenzen zur Aufsprache ihrer Bücher nur, wenn gewährleistet ist, dass die Ausleihe ausschließlich an blinde oder hochgradig sehbehinderte Menschen erfolgt. Die Ausleihe der Blindenschrift- und Hörbücher ist für die Betroffenen kostenlos. Zur Zeit sind ca. 4500 HörerInnen registriert, die aus 6500 Titeln wählen können. Täglich werden zwischen 800 und 1200 Versandboxen ausgeliefert und angenommen - das ergibt eine jährliche Ausleihe von 250.000 Boxen.

Hier ist die Abbiegespur nach Hamburg zu den dortigen Blindenbibliotheken!

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Erinnerungen für die Zukunft (8.5. 2000 19:00):

Dass die Vergangenheit nicht mit dem Mantel des Schweigens und im milden Schein der Verklärung zugedeckt werde, dass die Zukunft mit Hilfe der Erinnerung alten Sackgassen entgehe - so vielleicht kann der Anspruch umrissen werden, mit dem Ernst-Jürgen Walberg (geboren 1946 in Celle) und Thomas Balzer (geboren 1965 in Schwerin) vor sieben Jahren daran gingen, Geschichten zu recherchieren, zu dokumentieren und vor allem für den Hörfunk aufzubereiten, Geschichten, die in der DDR verdrängt und verschwiegen wurden. Eine Zwischenbilanz ist im vorigen Jahr in Buchform erschienen. &šumlber den Buchhandel zu beziehen ist auch die Doppel-CD "&šumlber den Tag hinaus", welche Hörfunkdokumente aus der Zeit des Umbruchs mit Liedern vereinigt, die der Liedermacher Ingo Barz in den Jahren davor gesammelt hat.

Der NDR-Redakteur Ernst-Jürgen Walberg setzt bei seinen Lesungen auf die Wirkung der einfühlsam wiedergegebenen Erinnerungen und Tatsachen. Sie sollen nicht nur betroffen machen. Sie sollen das Gespräch zwischen den Zuhörern anregen.

Mehr über das NDR-Projekt aktuell und aus erster Hand!

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Stenglischer Abend (9.5. 2000 19:30):

Der Epigrammatiker, Satiriker und auch Kabarettist Hans Georg Stengel wurde 1922 in Greiz (Thüringen) geboren. Der gelernte Journalist lebt seit 1951 in Berlin und war Redakteur der satirischen Wochenzeitung "Eulenspiegel". Freier Autor ist er seit 1959 und Solokabarettist seit 1971.

Stengel schrieb
- zahlreiche Kinderbücher von "Matrose Ottchen" (1960) über "Zirkus drunter und drüber" (1965) bis zum "Superstruwelpeter" (1993) sowie "Wasserhahn und Muskelkater" (2000).
- Zwischen den Gedichten "Mit Schrubber und Besen" (1950) und "Wortadella. Allerhand Sprachwursteleien" (1997) liegen so bekannte Bücher wie "Der rettende Stengel. Epigramme" (1974), "Strophe muß sein. Gedichte" (1977), "Stengelsextrakt" (1982) und "Menschen, Macken, Monumente. Satiren" (1991).

Als Hörbuch wurde in der Deutschen Zentralbücherei für Blinde zu Leipzig 1991 eingelesen "Als ich mal in Japan war. Reisenotizen auf und unter dem fernöstlichen Diwan" (Sprecher: Günter Bormann). Stengels Stammverlag, der Eulenspiegel-Verlag Berlin, bereitet die Veröffentlichung der CD "Hans Georg Stengel liest Breitmaulfrösche" vor.

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© 2001Dr. Jürgen Trinkus

Letzte Änderung: 2001-02-24 jt