DER ZIMMERSPRINGBRUNNEN

© Wolfgang J. Ruf in EPD-Film; vom 01.12.2001 / 12 / S. 36

Keine Frage, der Grundeinfall von Jens Sparschuhs Roman "Der Zimmerspringbrunnen" und damit auch seiner Verfilmung durch Peter Timm ist verblüffend komisch und scheint mit satirischer Unnachsichtigkeit die dubiose, vor allem im Osten Berlins blühende Ostalgie zu treffen. Bald nach dem Mauerfall ist der 40jährige Hinrich Lobek "abgewickelt" worden und hat sich als arbeitsloser Hausmann eingerichtet. Als er sich auf Drängen seiner längst der westlichen Arbeitswelt angepassten Frau Julia endlich doch auf ein Jobangebot des Arbeitsamts einlässt, soll er als Vertreter einer westdeutschen Firma seinen ostdeutschen Landsleuten ausgerechnet etwas ebenso Überflüssiges wie Skurriles verkaufen, nämlich die titelgebenden Zimmerspringbrunnen.

In der Marzahner Plattenbauwüste, für die er einst als Angestellter der Kommunalen Wohnungs-Verwaltung zuständig war, werden dem vertraut linkischen Ex-Genossen zwar bereitwilliger die Türen geöffnet als seinem westdeutschen Partner Strüver, der sich mit seiner nassforschen Vertretermasche sogar handgreifliche Ablehnung einhandelt. Aber der Verkaufserfolg bleibt auch bei Lobek in engen Grenzen; kaum jemand will sich das sperrige Plastikbecken, in dem ein kreisender Wal eine Wasserfontäne ausstößt, aufschwatzen lassen. Doch als Lobek an einem beschädigten Exemplar dieses "Jonas"-Modells nächtens herumbastelt, seiner nostalgischen Neigung folgt und westlichen Allerweltskitsch durch ostdeutsche Eindeutigkeit ersetzt, kreiert er fast absichtslos seinen künftigen Verkaufsschlager.

Aus einer Plasteschüssel mit den Umrissen der DDR erhebt sich nun zur Melodie von "Auferstanden aus Ruinen" ein wasserspeiendes Miniaturmodell des Ost-Berliner Fernsehturms. Lobek trifft damit den Nerv der von der Vereinigung gebeutelten Plattenbau-Bewohner. Angesichts des skurrilen, auch noch "Atlantis" genannten Machwerks werden ihre Augen feucht, und in der verklärenden Erinnerung an die untergegangene DDR ist ihnen dieser Tinnef auch nicht mehr zu teuer.

In solch bizarrer Zuspitzung lauert aber auch die Gefährdung dieser Geschichte über deutsch-deutsche Befindlichkeiten. Die Neigung zur anekdotischen Verkürzung, zum kabarettistischen, gar nur karikierenden Sketch gibt es zwar schon in Jens Sparschuhs Roman. Ungleich stärker ist sie im Film, zumal der ohne wortreiche und damit auch reflektierende Beschreibungen auskommt, stattdessen mit der unmittelbaren Abbildung zu happieren vermag. Wie schon Sparschuhs Roman versucht sich auch der Film über die Zeit zu retten, indem er neben Lobeks Bewährung im westlichen Business sich auch dem zerbröselnden Privatleben des aufgeschreckten Ossis zuwendet. Denn während Lobek Nacht für Nacht neue "Atlantis"-Modelle bastelt und dennoch der steigenden Nachfrage hinterherhinkt, droht seine Ehe zu zerbrechen; fluchtartig ist Julia aus der zum Zimmerspringbrunnen-Lager gewordenen Wohnung ausgezogen Dem Roman gelingt dieser Balanceakt zwischen gesamtdeutschem Geschäftstreiben und ostdeutscher Beziehungskiste allerdings weit besser. Wo der Autor Sparschuh geschickt mit Erzählmöglichkeiten und subjektiven Sichtweisen spielt, setzt der Regisseur Peter Timm, der einst in Frankfurt "Karl Napps Chaos Theater", einer schrillen Kabaretttruppe angehörte und dem auch so spezifisch deutsche Komödien wie Go, TRABI, Go, MANTA - DER FILM oder RENNSCHWEIN RUDI RÜSSEL zu verdanken sind, auf gröbere Mittel. Statt der fein gepinselten Ironisierung ostdeutschen Weltschmerzes bietet der Film lieber mal ein paar deftige Kalauer und scheut auch die Untiefen der blossen Karikatur nicht.

Bezeichnend ist vor allem das unterschiedliche Ende: Im Roman wird Lobek schließlich völlig vom Liebesschmerz überwältigt und beim vergeblichen Warten auf Julia einem Bahnhofspenner immer ähnlicher. Im Film verzichtet er zwar auch auf die Beförderung, aber er erweist sich auf einmal als cleverer Profiteur des Strukturveränderung und lässt den Wessi für sich und die prompt wiedergefundene Julia arbeiten. Damit gleicht er allerdings eher dem "ostdeutschen Mitläufer", wie Mathias Wedel den opportunistischen Einheitsgewinnler aus dem Osten in seinem so trefflichen Buch "Einheitsfrust" nennt, als Sparschuhs Ossi von der traurigen Gestalt. Mag sein, dass Timm an seinem Helden auch nur einmal mehr die bei einem Ossi nicht vermutete Befähigung zum trickreichen Gewinner interessierte. Schon in seinem vielbeachteten Debütfilm MEIER von 1986 erzählte er von einem Ost-Berliner, der mit Hilfe von westdeutschen Rauhfasertapeten zum "Helden der Arbeit" avancierte.

An Dringlichkeit gewinnt der Film durch sein unverhofftes Happy End allerdings nicht, die launige Burleske ist ihm letztlich näher als die scharfsichtige Komödie. Aber Timm beeindruckt auch in seinem neuen Film wieder mit einer ansehnlichen Besetzung. Den durchweg starken Schauspielern zuzusehen tröstet über so manch alberne Flachheiten hinweg, wobei Gustav Peter Wöhlers virtuose Studie des verklemmten West-Vertreters Strüver sich noch nachhaltiger einprägt als der ungemein präsente Götz Schubert in der Hauptrolle.

Über Jens Sparschuh!Die Verfilmung!