Selbstzeugnis: "Ich werde in meinem Beruf tagsüber so viele Aggressionen los, dass ich abends ein netter Mensch sein kann."

Als er aber zeitweilig die Verteidigung von Ulrike Meinhof übernommen hatte (1970-1974), wurden auch die Angriffe auf die Privatsphäre des streitbaren Juristen unerträglich.

"Anonyme Anrufer und Briefeschreiber sind feige, sagte ich meinen Kindern. Aber ich weiß heute, dass es mir nicht gelungen ist, ihnen die Angst zu nehmen."

Die zahlreich entstandenen und später auch als Bestseller verbreiteten Kinderbücher sind wohl eine Frucht dieser Bemühungen, die eigenen Kinder vor den hystärischen Nachstellungen einer rechten Stimmungsmache zu schützen.

Biographie

Heinrich Hannover wurde am 31. Okt. 1925 in Anklam/Pommern (heute Mecklenburg-Vorpommern) geboren. Sein Vater war Facharzt für Chirurgie, Chefarzt des städtischen Krankenhauses Anklam, Mitglied von SS und NSDAP. Sein Haus in der Friedländer Straße nannte er "noli me tangere". Die wenigen Kommunisten der vorpommerschen Kleinstadt betrachtete daher auch der gut bürgerlich aufwachsende Heinrich als fremdartige, unheimliche Wesen. Zu den Helden seiner Kindheit gehörte eher der "Seeteufel" Graf Luckner.

Heinrich Hannover besuchte in Anklam die Volks- und Lilienthal-Schule. Er wollte Förster werden. Die Zulassung zur höheren Forstlaufbahn in Pommern erhielt er. Eine Voraussetzung dafür war die Mitgliedschaft in der NSDAP.
Am 17.5.1943 wurde Heinrich Hannover zum Reichsarbeitsdienst eingezogen, im August 1943 kam er als kriegsfreiwilliger siebzehnjähriger Rekrut zur Division "Hermann Göring".

Die nächsten Etappen sind bestimmt von Glück im Unglück. Am 27.4.1945 verwundete ihn ein Granatsplitter im Nacken, dicht neben der Wirbelsäule. Damit schied er aus dem Aussichtslosen Kampf um Bautzen aus. Am 8. Mai hat er sich mit anderen in Karlsbad den Amerikanern ergeben. Da er als Heimatadresse Kassel in der amerikanisch besetzten Zone angab, wurde er am 22.5.1945 als einer der Ersten aus dem amerikanischen Kriegsgefangenenlager in Eger entlassen. Bei den Verwandten in Kassel erfuhr er, dass beide Eltern in den Freitod gegangen waren wie 600 Menschen in Anklam auch. Vater drohte nach einer Anzeige die Internierung durch Sowjetorgane.

Bei der Regelung der Erbschaft und Eigentumsverhältnisse erwachte wohl der Wunsch Jurist zu werden. Die örtliche Besatzungsmacht hatte den Vater als Kriegsverbrecher enteignet.Nach Auffassung des Sohnes Heinrich war er keiner, und er war zum Zeitpunkt der Enteignung bereits tot. So war der junge Kriegsheimkehrer rechtmäßiger Erbe und sah sich um seinen Anspruch betrogen.

Heinrich Hannover holte in Kassel das Abitur nach und bemühte sich vergeblich um Übernahme in den hessischen Forstdienst. Stattdessen nahm er das Jura-Studium an der Universität Göttingen auf.

Sein I. Staatsexamen legte Heinrich Hannover am OLG Celle ab. Anschließend war er 3 Jahre lang Referendar im Bremer Justizdienst. Nach Abschluss der Referendarzeit ließ er sich 1954 als Rechtsanwalt in Bremen nieder.

Heinrich Hannover begann seine Juristenlaufbahn mit der Aussicht ein Auskommen als Anwalt des Bremischen Haus- und Grundbesitzervereins und gern gesehener Gast der hanseatischen Kaufmannschaft zu finden. Rückblickend schreibt er: "Man kann es angesichts meiner damaligen politischen Einstellung als Ironie des Schicksals oder als Zumutung bezeichnen, daß die Bremer Justiz mir als einer der ersten meiner anwaltlichen Aufgaben die Verteidigung eines Kommunisten zudachte." Diese Pflichtverteidigung wurde bestimmend für sein ganzes weiteres Berufsleben.

In den folgenden Jahren waren es mehr und mehr die strafrechtlich geführten Auseinandersetzungen um das politische Antlitz der Bundesrepublik, in denen der Bremer Rechtsanwalt als Advokat auf Seiten derer zu finden war, die sich mit den Herrschenden anlegten. Mit Rüstungsgegnern und Kriegsdienstverweigerern stemmte er sich gegen deren Kriminalisierung. An der Seite von Zeugen Jehovas ging es um deren Recht auf Kriegsdienstverweigerung, an der Seite verfolgter Kommunisten um deren Recht auf Meinungsäußerung.

In seinem zweibändigen Werk "Die Republik vor Gericht" werden etliche Kapitel bundesdeutscher Geschichte in die Erinnerung zurückgerufen, die auch nicht vergessen werden sollten. Zu seinen Mandanten gehören so namhafte Persönlichkeiten wie Günter Wallraff ( (1968 und 1975), Daniel Cohn-Bendit (1968), Zu seinen schlimmsten Erfahrungen gehören die Verhandlungen in Stuttgart-Stammheim, wo er als einer der "Terroristen"Verteidiger im Prozess gegen Peter-Jürgen Boock ähnlich erniedrigenden Prozeduren unterworfen war, wie die Angeklagten.

Um Versuche, offenkundige Justizverbrechen aus der Nazizeit nachträglich gerade zu rücken, ging es im Mordfall Ernst Thälmann, wo Heinrich Hannover die Interessen der Tochter des seinerzeitigen KPD-Vorsitzenden wahrnahm, und in den Bemühungen um ein Wiederaufnahmeverfahren im Landesverratsurteil gegen Carl von Ossietzky (1988-1992). Für die Jahre nach 1989 sei hier nur die Mitwirkung bei der Verteidigung des führenden SED-Reformers und vorletzten Ministerpräsidenten der DDR Dr. Hans Modrow im Dresdner "Wahlfälscherprozeß" von 1993 erwähnt, hier übrigens an der Seite von Friedrich Wolff, der Gast des IV. Boltenhagener Bücherfrühlings war.

Doch Heinrich Hannover bedurfte selbst auch anwaltlichen Beistands. Vor dem anwaltlichen Ehrengericht verteidigte ihn 1978-1984 Otto Schily.

Als Anwalt ging Heinrich Hannover 1995 in den unruhigen Ruhestand. Es entstand das 2-bändige Werk "Die Republik vor Gericht". Hannover engagiert sich mit seiner Lebensgefährtin im kulturellen Leben der Region Bremen und ist ein leidenschaftlicher Vorleser.