4. 3. Die Herausbildung von kooperativen Abteilungen Pflanzenproduktion

Historischer Ausgangspunkt der zwischenbetrieblichen Kooperation in der Pflanzenproduktion war in der DDR die Übernahme der MTS-Technik durch die LPG. Die materiell-technische Basis der MTS war meist so beschaffen, daß ihre gleichmäßige Aufteilung auf die LPG des jeweiligen Territoriums unmöglich war bzw. die Schlagkraft der Großtechnik erheblich eingeschränkt hätte. Aufteilung war nur möglich bei gleichzeitiger Gewährleistung eines vertraglich geregelten gemeinsamen Einsatzes.

Die Erfahrungen, die die Genossenschaftsbauern mit dieser Kooperation sammelten, führten sie fast von selbst dahin, auch bei der erweiterten Reproduktion der materiell-technischen Basis der Pflanzenproduktion, insbesondere bei der Anschaffung der Großtechnik, zu kooperieren. Dabei wurden in der Praxis verschiedene Wege beschritten. Zum einen wurde die für den gemeinschaftlichen Einsatz bestimmte Technik auf der Grundlage abgestimmter Entwicklungskonzeptionen von den einzelnen LPG angeschafft. Zum anderen wurden bestimmte Großgeräte, vor allem Erntekombines, gemeinschaftlich angeschafft und eingesetzt. Damit entstanden zwischen den Landwirtschaftsbetrieben eines Territoriums komplizierte ökonomische Beziehungen, denn Anschaffung und Einsatz der Technik überschritten in ihrer Dimension das Vergesellschaftungsniveau des Bodens, der Feldarbeit insgesamt und der Aneignung. Anschaffungs- und Einsatzkosten waren anteilig zu verrechnen. Der Einsatz war zum Vorteil aller überbetrieblich zu planen und zu leiten. Für die demokratische Leitung der Kooperation entstanden als gemeinschaftliche Gremien die Kooperationsräte Pflanzenproduktion. Zeitweilig wurden überbetrieblich kampagnebezogene Arbeitskollektive gebildet.

Die Notwendigkeit, diese Beziehungen zu vereinfachen, gab den Diskussionen über den weiteren Weg der Vergesellschaftung der Landwirtschaft Ende der sechziger Jahre ihr spezifisches Gepräge. Der Tatsache gemäß, daß die Vergesellschaftungsprozesse in der genossenschaftlich organisierten Landwirtschaft von äußerst differenzierten Bedingungen auszugehen hatten (differenziert zwischen einzelnen Betrieben eines Kreises wie auch zwischen einzelnen Produktionszweigen innerhalb eines Betriebes), konnte ein unmittelbarer Zusammenschluß zu Groß-LPG nicht auf der Tagesordnung stehen. In schöpferischer Weiterentwicklung der Agrarpolitik der SED erwiesen sich die kooperativen Abteilungen Pflanzenproduktion als die angemessene Form, in der eine großräumige, komplexe Mechanisierung der Feldwirtschaft durchführbar war.

In ihrer Form war die kooperative Abteilung Pflanzenproduktion zunächst eine zwischengenossenschaftliche Einrichtung mit eigenem Leitungsgefüge und mit spezifischen Produktionsaufgaben. Von den im vorigen Abschnitt beschriebenen ZGE unterscheiden sich die KAP aber dadurch, daß ihr Arbeitskollektiv nur zeitweiligen und wechselnden Charakter trug, nämlich entsprechend der Kampagnen und Komplexgrößen. Ihr wesentlichster Unterschied zu anderen ZGE besteht darin, daß die KAP landwirtschaftliche Primärproduktion erbrachten. Je mehr sich die industriemäßige Produktion und somit auch der Bereich der Pflanzenproduktion, der in den KAP zusammengefaßt wurde, erweiterte, je kleiner also der Bereich wurde, in welchem die einzelnen Genossenschaften ihre Pflanzenproduktion selbständig organisierten und durchführten, desto stärker wurden die KAP zur ausschließlichen Organisationsform der Pflanzenproduktion. Ein neuer Entwicklungswiderspruch hatte sich somit vollständig herausgebildet: Vergesellschaftungsgrad der Arbeit und der Aneignung entsprachen einander nicht mehr. Das äußerte sich in einer Organisiertheit der Genossenschaftsbauern auf zwei Ebenen, nämlich

  1. im Rahmen ihrer LPG als Eigentümer und
  2. im überbetrieblich organisierten Arbeitskollektiv der kooperativen Abteilung.

Dies stellte objektiv eine Komplizierung der Reproduktionsbedingungen des Eigentümerdaseins sowohl der einzelnen LPG als auch ihrer Mitglieder dar. Während das Eigentum seiner Form nach den hergebrachten LPG der Typen I, II und III entsprach, wurde es doch auf einer Ebene realisiert, die einen weit höheren Grad seiner Vergesellschaftung verlangte. Je mehr die Fonds und die Arbeitskräfte überbetrieblich zentralisiert und konzentriert wurden, desto formaler mußte die demokratische Funktion beispielsweise der Mitgliederversammlungen der einzelnen LPG werden. Die Arbeitskollektive der KAP waren nicht so sehr nach dem Gesichtspunkt der Herkunft der Mitglieder gegliedert, sondern vor allem nach technologischen und verfahrensmäßigen Kriterien. Sowohl die operative Leitung der Arbeitsprozesse als auch die Vorbereitung von Grundsatzentscheidungen für die weitere Entwicklung waren von den LPG Typ I, II und III auf die höhere Ebene übergegangen, die von der KAP verkörpert wurde. Der Gesamtprozeß war aus der Perspektive der einzelnen Genossenschaft nur noch schwer zu überschauen. Die genossenschaftliche Demokratie mußte auf höherer Ebene widerhergestellt werden.

Die Bildung von KAP begann im Jahre 1969. 1974 bewirtschafteten 1198 KAP bereits 75 % der Nutzfläche der sozialistischen Landwirtschaft. Quellenverweis!
Im Zuge ihrer Umwandlung in LPG bzw. VEG Pflanzenproduktion ging ihre Zahl in der Folgezeit allmählich zurück. Im Sommer 1977 betrug sie nur noch 855. Quelle!
Die von einer KAP bewirtschaftete Bodenfläche war 6-7mal größer als die einer LPG der sechziger Jahre. Die durchschnittliche Anbaukonzentration erreichte bei Getreide 2000, bei Kartoffen 400 und bei Zuckerrüben nahezu 250 ha. Quelle!
Weit mehr als die spätere Umwandlung in LPG Pflanzenproduktion bedeutete der Übergang von der hergebrachten Produktionsorganisation der LPG Typ I, II und III zu kooperativen Abteilungen Pflanzenproduktion einschneidende Veränderung der Stellung des einzelnen Werktätigen im Produktionsprozeß. Eine vorwiegend verfahrensbezogene Organisation der Arbeit, wie sie im Zusammenhang mit der komplexen Mechanisierung der Feldwirtschaft durchgesetzt wurde, bedeutete Auflösung der hergebrachten Arbeitskollektive. Mehrschichtig komplex eingesetzte Großtechnik führte Genossenschaftsbauern und Arbeiter aus mehreren Dörfern in zeitweiligen Arbeitskollektiven kampagnegebunden zusammen. Arbeits- und Wohnort fielen nun in einem Maß auseinander, das für die Landwirtschaft bis dahin kaum vorstellbar war. Gleichzeitig wurde der Übergang zu einheitlicher Vergütung auf der Basis technisch begründeter Normen durchgesetzt, wobei die Bewältigung der Produktionsverfahren einen größeren Ausschlag gab als das schließliche Gesamtergebnis der Feldarbeit.

Im Zusammenhang mit der rapiden Einführung neuer Technik, den entsprechenden Veränderungen in der Arbeitsorganisation, der Zusammensetzung der Arbeitskollektive, der Vergütung u. a. m. war die Perspektive jedes einzelnen Genossenschaftsbauern in Übereinstimmung mit seinen persönlichen Interessen und auf der Grundlage persönlicher Einsicht in die gesellschaftlichen Erfordernisse einer erfolgreichen Produktionsentwicklung zu klären. Dieser ganze Prozeß stellt somit eine große Bewährungsprobe für die genossenschaftliche Demokratie dar, die nicht überall in gleichem Maße bewältigt werden konnte, was sich unter den gegebenen, nicht nur ökonomisch, sondern auch ideologisch stark differenzierten Bedingungen ganz von selbst versteht.

4. 4. Zur Herausbildung von LPG Pflanzenproduktion und LPG Tierproduktion

Die Herausbildung von LPG Pflanzenproduktion stand überall dort auf der Tagesordnung, wo die KAP sich so weit herausgebildet hatten, daß in ihnen die Pflanzenproduktion des jeweiligen Territoriums vollständig zentralisiert war. Die Bildung von LPG Pflanzenproduktion ist die Wiederherstellung der Kongruenz von Produktionsorganisation und Eigentumsverhältnis auf höherer Stufe.

Die ersten LPG (PF) entstanden 1973. Dort, wo VEG an der KAP beteiligt waren und die Mehrheit der Werktätigen dies für zweckmäßiger hielt, verwandelten sich die KAP auch in VEG Pflanzenproduktion. 1975 gab es bereits 47 LPG und 6 VEG (PF). Quelle!
Nach dem IX. Parteitag und insbesondere nach dem Abschluß der Aussprache zu den neuen Musterstatuten im Sommer 1977 hat sich der Umwandlungsprozeß bedeutend beschleunigt, Abgeschlossen war die Formierung von LPG und VEG (PF) Anfang 1980. Nunmehr existierten 1017 LPG (PF), 64 VEG (PF), 31 LPG (G) und 557 VEG Obst, Gemüse und Zierpflanzen.

Eigentumsmäßige Verselbständigung der Pflanzenproduktion ist gleichzeitig Neuformierung der Tierproduktion. Die LPG Pflanzenproduktion finden ihre Ergänzung in LPG Tierproduktion. Neben den 1017 LPG Pflanzenproduktion entstanden 2844 LPG Tierproduktion.Quelle!
Demnach sind einer LPG (PF) 2 bis 4 LPG (T) zuzuordnen. Das ist eine Tatsache, die ihrerseits auf die innere Gliederung der LPG (PF) zurückwirkt, was seit 1981 in der Bildung von Territorialabteilungen der LPG (PF) und deren fester Zuordnung zu jeweils einer LPG (T) zum Ausdruck kommt.

Gegenüber den herkömmlichen LPG der Typen I, II und III haben wir es in den LPG Tierproduktion mit einer durchschnittlich dreimal höheren Zentralisation der Tierbestände zu tun, waren doch die 2887 LPG Tierproduktion des Jahres 1980 an die stelle von 5524 LPG Typ III und 3485 LPG Typ I und II des Jahres 1970 Quelle! getreten.
"Da sich dieser Prozeß hauptsächlich durch Zentralisation materieller und finanzieller Fonds vollzog, sind die Fortschritte bei der Tierkonzentration je Stalleinheit wesentlich geringer als bei der betrieblichen Konzentration." Quelle!
Zwar konnte zwischen 1970 und 1975 in der Schweineproduktion der Anteil von Sauen in industriemäßigen Anlagen mit über 1000 Plätzen von 2,8 auf 14 % und der Anteil von Mastschweinen in Anlagen mit über 10 000 Plätzen von 4,3 auf 9,5 % erhöht werden, aber damit verringerte sich der Anteil der herkömmlichen Schweineproduktion lediglich von 70 auf 68 %.
Der Anteil der in den siebziger Jahren neu errichteten Tierplätze an den insgesamt genutzten Tierplätzen beträgt bei Sauen 17 und bei Mastschweinen 15 %. Quelle!

Die industriemäßige Umgestaltung der Tierproduktion erweist sich als ein Prozeß, der nur mit sehr hohem gesellschaftlichen Aufwand zu meistern ist. Während der Investitionsaufwand für einen herkömmlichen Sauenplatz des Jahres 1955 3300-3500 M betrug, liegt es bei einer industriemäßigen Anlage der ersten Generation (1973) schon bei 7500-8600 M. Quelle!

Gegenwärtig muß der Rekonstruktion und Instandhaltung der vorhandenen Stallkapazitäten gegenüber dem Neubau der Vorrang gegeben werden. Insbesondere dort, wo das Erbe von LPG Typ I oder II angetreten wurde, haben wir es bis auf den heutigen Tag damit zu tun, daß ein Teil des genossenschaftlichen Viehs auf kleine Stallungen, die zu den Bauerngehöften gehören, zersplittert ist. In den siebziger Jahren vollzog sich eine grundlegende Umstrukturierung des genossenschaftlichen Eigentums. An die Stelle von LPG Typ III, in denen die gesamte Landwirtschaftsproduktion eines relativ kleinen Territoriums (Dorf- oder Gemeindeflur) realisiert wurde und LPG Typ I und II, in denen neben der genossenschaftlichen Pflanzenproduktion und einer im Aufbau befindlichen genossenschaftlichen Tierproduktion noch eine Großviehhaltung auf private Rechnung existierte, traten in einem historisch sehr kurzen Zeitraum LPG, die in einer größeren territorialen Einheit eine Produktionsrichtung, Tier- oder Pflanzenproduktion, betrieben.

Der Übergang zu einer verhältnismäßig höheren Produktionsweise und damit zu einer neuen Gestaltung des genossenschaftlichen Eigentums war besonders dringend hinsichtlich der LPG Typ I und II, in denen sich Erscheinungen von Stagnation und sogar rückläufiger Entwicklung um so mehr zeigten, je mehr dort die Arbeits- und Lebensbedingungen hinter dem allgemeinen gesellschaftlichen Fortschritt zurückblieben. Die rückständige Produktionsweise in der Tierproduktion der LPG Typ I und II, der hohe Anteil körperlich schwerer Arbeit, das hohe Maß der Gebundenheit der Genossenschaftsbauern an Haus, Hof und Vieh, wirkten erschwerend auf die Reproduktion des genossenschaftlichen Arbeitsvermögens. Während in den LPG Typ III auf 100 ha LN durchschnittlich 16,1 Mitglieder entfielen, waren es in den LPG Typ I und II nur 11,4. Bei den ständig mitarbeitenden Genossenschaftsmitgliedern je 100 ha verfügten die LPG Typ III durchschnittlich über 11,6, die LPG Typ I und II aber nur über 7,7. Quelle!
Selbst hinsichtlich der Viehbestände je 100 ha LN waren die LPG Typ I und II hinter das durchschnittliche Niveau der LPG Typ III zurückgefallen. Im Durchschnitt des Jahres 1975 wurden in den LPG Typ III je 100 ha 90,2 und in den LPG Typ I und II nur 82,2 Rinder gehalten. Noch gravierender war der Unterschied in der Schweinehaltung. In den LPG Typ III entfielen auf 100 ha 161 und in den LPG Typ I und II nur 101 Schweine, auch wenn die LPG Typ I und II bei den Zuchtsauen 89,3 gegenüber nur 17,4 in den LPG Typ III aufzuweisen hatten. Quelle!

Mit der Umstrukturierung des genossenschaftlich-sozialistischen Eigentums von den LPG der Typen I, II und III zu spezialisierten LPG Tierproduktion und LPG Pflanzenproduktion wurde ein Vergesellschaftungsniveau des Eigentums erreicht, das der Entwicklung der industriemäßigen Großproduktion entspricht.

Zur Bestimmung der weiteren Entwicklungstendenzen des genossenschaftlich-sozialistischen Eigentums gilt es jedoch eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen, wovon abschließend einige anzureißen sind.

 

Voriger Abschnitt! zurück zur Inhaltsübersicht! nächster Abschnitt!
Mein Diskussionsforum zu Fragen der Agrar- und Sozialgeschichte der DDR
Verzeichnis der Tabellen Verzeichnis zitierter Literatur Zusatzliteratur
Die nachträglichen Vorbemerkungen Fußnoten Teil I Fußnoten Teil II
Die komplette dissertation im WORD-Format: lttp://www.klangkontext.de/works/dissertation/dissertation.doc
Startseite von Klang kon Text! Impressum Eine E-Mail an den Autor!