Trinkspruch auf Trinkus

Von © Hansgeorg Stengel in "Jahrbuch 2002 des Deutschen Blinden- UND sEHBEHINDERTEN-vERBANDES

Blindgänger. Blindwütig. Blinder Eifer schadet nur. Blindlings.

Neulich las ich: Behindert ist man nicht. Behindert wird man. Zum Beispiel bei nicht ausreichenden staatlichen, städtischen und gemeindlichen Investitionen in praktikable Unter-die-Arme-(Ein)-Griffe.
Seit ich beispielsweise den Greifswalder (jetzt Kieler) Dr. Jürgen Trinkus kenne, weiß ich: Einer wie der ist quicklebendiger Beweis für nicht zu bremsende, geradezu verbissene Entschlossenheit trotz tiefschwarzer Erblindung genau das zu tun, was man gemeinhin nur den Luchsen zuschreibt und zutraut: scharfäugig die Umwelt ins Visier zu nehmen und zu fixieren eben wie ein Luchs.
Trinkus hat - viel mehr, als ich es für mich bestätigen kann - jedermann im Blick, hat im wahrsten Sinn des Worts Augenmaß und vor allem eine so präzise synoptische Weltanschauung, dass man sich hüten muss, den scheinbar Blinden für sichtbehindert zu halten.
Ist Trinkus behindert? Medizinisch ganz bestimmt. Nicht aber ein nach populären Maßstäben emotional und intellektuell demoliertes Lebewesen. Ich schrieb in den siebziger Jahren diese vier Zeilen:

Ihr, die ihr blind und gehörlos seid,
geltet als körperversehrt.
Aber die Geschmacklosigkeit
wird nicht zum Gebrechen erklärt.

Die Redakteure des Jahrbuchs 2002 wollten von mir "einen launigen Beitrag, der sich auf humorvolle Weise mit allem beschäftigt, was man rund ums Sehen zusammenbringen kann". Mag sein, dass ich am Thema vorbeigeschlittert bin, aber wenigstens mit optimistischer Tendenz.