Auferstanden aus Fontänen

© Anke Sterneborg, in Süddeutsche Zeitung; vom 01.12.2001 / 277 / S. 14

In dem Film "Der Zimmerspringbrunnen" von Peter Timm sieht der Berliner Osten erfrischenden Zeiten entgegen Vertreter für Zimmerspringbrunnen, zuständig für die Berliner Plattenbausiedlung Marzahn - das klingt nicht wirklich nach einer großen Karriere. Doch für Hinrich Lobeck ist jeder Job ein Aufstieg - ein nach der Wende abgewickelter Ossi, ansonsten ein Hausmann, der tagsüber sein Leben auf der Sitzgarnitur verschnarcht und abends auf dem von ihm zubereiteten Essen sitzen bleibt, weil seine wieselige Frau nach dem Duschen wieder in ihr neues Westleben stürmt.

So macht er sich also unverdrossen ans Werk, der neue Vertreter (Götz Schubert), zieht mit dem Fahrrad durch eine unwirtlich graue Welt. An den Rändern der Stadt, in nasskaltem Wetter, erledigt er seine Arbeit, an seiner Seite ein forscher Wessi, der ihn einarbeiten soll (Gustav Peter Wöhler) . Verdutzt nimmt der eines Tages zur Kenntnis, dass sein Partner sein ganz eigenes Sesam-öffne-dich zu den Wohnungen der Plattenbausiedlung hat - die Menschen kennen ihn hier aus jenen Jahren, da er als Angestellter der KWV, der Kommunalen Wohnungsverwaltung, Beschwerden entgegengenommen und Wohnungen inspiziert hat. Erinnerungen verbinden ihn mit diesen Menschen, an eine scheinbar bessere Zeit, so sprudeln denn mit den Fontänen der Zimmerspringbrunnen plötzlich alle Hoffnungen, Wünsche und Enttäuschungen noch einmal in hohem Bogen heraus.

Hinter der konkreten DDR-Historie, so betont Jens Sparschuh, von dem die Romanvorlage zu Peter Timms Film stammt, geht es um die Lebenslügen allgemein. Mit seinen unerwarteten Fähigkeiten erinnert der Ossi Hinrich Lobeck ein wenig an den Aussie Crocodile Dundee: So wie der ins New Yorker Metropolenleben versetzte Sumpfcowboy bringt auch Lobeck aus seinem realsozialistischen Urwald ein paar unerwartete Fähigkeiten in die westliche Konsumgesellschaft. Und Menschen, die eine fremde Welt für sich entdecken und über deren Feindseligkeit triumphieren, gaben schon immer gute Kinohelden ab.

Natürlich muss, da Hinrich Lobeck nicht nur scheu, sondern auch eher antriebsschwach und einfallslos ist, der Zufall ihm zu Hilfe kommen: Als ihm einer der Zimmerspringbrunnen zu Bruch geht - der Ladenhüter, Modell Jonas: mit wasserspeiendem Wal im Plastikteich -, bastelt er in nächtlicher Heimarbeit daraus das Modell Atlantis: Über der Landkarte der DDR erhebt sich jetzt - Melodie: "Auferstanden aus Ruinen" - ein wasserspeiender Berliner Fernsehturm. Mit seinen ganz privaten Sehnsüchten trifft er den Nerv der Zeit im Osten Deutschlands, in einer Gesellschaft von Menschen, die mit der Wende nicht nur die Zwänge, sondern eben auch die Sicherheiten verloren haben.

In Peter Timms kurz nach der Wende gedrehten "Go Trabi Go" wurde der auf der Reise an die Cote d'Azur stückweise zu Bruch gehende Trabi noch mit West- Ersatzteilen aufgerüstet. Zehn Jahre später sind die Westprodukte nur verkäuflich, wenn sie mit DDR-Träumen versetzt werden. Doch von der Hektik des Westlebens will Lobeck sich nicht vereinnahmen lassen - die Beförderung schlägt er zu Gunsten einer Umsatzbeteiligung aus. So entwickelt der Film genau jene ein wenig leidenschaftslose Gelassenheit, die seinen Helden prägt: Sympathie statt Satire.

Über Jens Sparschuh!Die Verfilmung!