Streitbarer Jurist - Der Anwalt Friedrich Wolff und seine Vergangenheit in Ost und West

© Falco Werkentin, "Der Tagesspiegel" vom 19.07.1999 / S. 7

Seit dem Zusammenbruch der DDR ist Rechtsanwalt Wolff zum streitbaren Juristen geworden. Seiner Rolle als Verteidiger von Erich Honecker, Hans Modrow und dem letzten HVA-Chef Werner Großmann machte ihn - neben Wolfgang Vogel - bundesweit zum bekanntesten Ex-DDR-Anwalt. Während Vogel sich bald in eigener Sache verteidigen mußte, von Mandanten der erpresserischen Vorteilsnahme beschuldigt, blieb Wolff von ähnlichen Vorwürfen verschont 1922 in Berlin als Sohn eines Arztes geboren, war ihm, den die Nazis zum "Halbjuden" erklärten, in diesen Jahren ein Studium verwehrt. Er schlug sich als Arbeiter in einer Munitionsfabrik durch, trat 1945 der KPD bei und holte das Studium nach. Es folgten ein Jahr als Richter, ein Jahr als Lehrer an einer Volksrichterschule und schließlich die Tätigkeit in der Abteilung Justiz des Ost-Berliner Magistrats. Mitte 1953 wurde er entlassen - seine Mutter lebte in West-Berlin. Doch die Partei hatte weiterhin Vertrauen.

Gleich zu Beginn seiner Anwaltskarriere konnte er sich in Strafverfahren gegen Teilnehmer am Volksaufstand vom 17. Juni 1953 bewähren. Ein Jahr später (im Buch unerwähnt) erhielt er in einem berühmt-berüchtigten Schauprozeß des Obersten Gerichts gegen "Gehlen-Agenten" ein Mandat als Pflichtverteidiger. Wolffs respektableswenngleich ahnungsloses - Gnadengesuch für den zum Tode verurteilten Bandelow datiert vom 15. November 1954 - sein Mandant war da bereits vier Tage tot.

Recht knapp und illusionslos skizziert Wolff die fast immer vergeblichen Versuche, Freisprüche oder geringfügigere Strafmaße als beantragt zu erreichen. Zu weiteren bekannten Mandanten gehörten der 1955 nach Ost-Berlin entführte Journalist Karl Wilhelm Fricke und der im Juni 1961 aus West-Berlin verschleppte ehemalige Mitarbeiter der SED-Bezirksleitung Berlin, Heinz Brandt.

Die Annahme solcher Mandate und die Beiordnungen als Pflichtverteidiger zeugen davon, daß Wolff weiterhin das Vertrauen von Partei und MfS genoß. Noch bevor Wolff eine eigene Fernsehreihe erhielt, (,"Alles, was Recht ist") durfte er in den wie Brecht'sche Lehrstücke inszenierten und vom DDR-TV ausgiebig übertragenen Schauprozessen des Obersten Gerichts gegen Oberländer (1960) und Globke (1963) den Pflichtverteidiger schauspielern.

Neben mehr oder weniger knappen Prozeßschilderungen aus DDR-Zeiten und weitaus umfangreicheren Darstellungen der Anwaltstätigkeit ab 1990 sind zwei Kapitel seiner Tätigkeit als Vorsitzender des Ost-Berliner Anwaltskollegiums mit knappsten Bemerkungen zur Funktion als Parteisekretär (Spitzname "Ajatollah") gewidmet. So ist schamhaft ausgespart, was dank anderer Quellen nicht mehr versteckbar ist - zum Beispiel die in Versammlungen der Parteigruppe und der Ost-Berliner Anwälte im Dezember 1976 abgezwungene Zustimmung zum Berufsverbot für den Genossen und Kollegen Götz Berger, veranlaßt von Honekker als Reaktion auf dessen Rolle als Havemann-Verteidiger. Widersprochen hatte nur die von Wolff an anderer Stelle genannte Kollegin Marie-Louise Münchhausen.

"Mir selbst wollte ich natürlich (mit diesem Buch) auch nicht mehr schaden, als ich verkrafte" - so Wolff in einer Vorbemerkung. Gewiß: Eine verständliche Haltung, die nicht nur für dieses Buch, sondern insgesamt als bebensorientierung des Mannes gegolten haben muß. Daß er erst unter dem Schutz des Grundgesetzes ein streitbarer Jurist wurde, daher diesen letzten Jahren mehr als die Hälfte des Bandes widmete, wer wollte es vorwerfen? Zugleich sind damit die Grenzen dieses Zeitzeugenberichts genannt, soweit es den Anteil von Anwälten in politischen Prozessen der DDR betrifft.

Der sachkundige Leser erfährt weniger, als er aus anderen Quellen bereits weiß und stößt auf schlechthin falsche Behauptungen - so etwa, daß es 1972 das letzte Todesurteil gegen NS-Täter gegeben habe oder nie ein Anwalt "wegen einer Verteidigung eingesperrt worden wäre".

Schade, daß Friedrich Wolff, der sich im Rahmen der Möglichkeiten des SED-Systems und in den Grenzen unbedingter Loyalität achtbar für Mandanten eingesetzt hatte, bei seinem Rückblick so schnell auf eigene Barrieren gestoßen ist.

 

Erstellt am 10.10.2001Zuletzt geändert am 09.04.2002 22:55