Literarische Übersetzer -
die stilleren Helden des Literaturbetriebs?
V. Boltenhagener Bücherfrühling
9. bis 13. April 2003

Das Faktische   Der Ablauf
Ein Reader zum Thema   Hauptseite Bücherfrühling!

Mehr Informationen zum geplanten Ablauf

Auf dieser Seite findet sich die prosaische Ergänzung zum tabellarischen Ablaufplan.

 

Während des Boltenhagener Bücherfrühlings sind diesmal einige Wiederschöpfer bedeutender Werke der Weltliteratur zu erleben. In den Werkstattgesprächen werden wir versuchen, möglichst viel zu erfahren von ihrer Arbeit, den Freuden und Bitternissen des jeweiligen Übersetzerlebens. Und wir wollen zugleich Kostproben der Literatur erleben, die diese Menschen dem deutschsprachigen Publikum zugänglich gemacht haben. Mal sehn, wie gut es gelingt, aus den vielen bunten Steinen ein Mosaik zu bauen, welches uns einen Gesamteindruck vom Übersetzerdasein gibt.

Am Anfang steht doch immer die Frage: Wer sind die Anderen, die sich in dieser Zeit, die für Ostseeurlaub untypisch ist, in dieses Ostseebad begeben haben? Es ist bei Veranstaltungen im "Haus Seeschlößchen" guter Brauch, am Beginn reihum ein paar Worte zu sich und seinem Hiersein zu sagen. Sprechen und Hören ist besonders wichtig, weil ein Teil der Anwesenden mehr oder minder große Probleme mit dem Sehen hat. Das "Haus Seeschlößchen" ist das Herzstück des Erholungs-, Begegnungs- und Bildungszentrums "Ostseeperlen Boltenhagen" des Blinden- und Sehbehinderten-Vereins Mecklenburg-Vorpommern e.V. Und die Gäste kommen wirklich aus allen Teilen Deutschlands, und in der Vorstellungsrunde entsteht schon eine Atmosphäre der Vertrautheit, die für die nächsten Tage das Klima bestimmen soll.

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Ein Abend mit anatolischer und sorbischer Lyrik

Dieser Abend mit Gisela Kraft und Benedikt Dyrlich erklärt sich aus einem entscheidenden Wendepunkt im Lebenslauf von Gisela Kraft in den frühen 80er Jahren. Ihre Stelle am islamwissenschaftlichen Institut der Freien Universität Berlin war ausgelaufen, und Gisela Kaft stand vor der Frage, wie sie ihr künftiges Leben einzurichten gedenke. Da war Anatolien, dessen Lyriker sie ins Deutsche übersetzte. Dort zog es sie hin. Aber direkt vor der Tür lag ein näherer Osten. In Ostberlin war die Übersetzerarbeit von Gisela Kraft gefragt, denn hier wurde seinerzeit mehr Lyrik aus der Türkei verlegt als in Westdeutschland. Hier hatte Gisela Kraft ein regelmäßiges Einkommen in Mark der DDR, welches sie auch nur in der DDR ausgeben konnte. Und so bereiste sie dieses Land. Es waren zwei Ereignisse, die ihr sagten, dass sie hier auch ein Stück dessen finden würde, was sie nach Anatolien zog.

Bei einem Autorentreffen des Aufbau-Verlages in Bad Sarow begegnete Gisela Kraft erstmals Benedikt Dyrlich und seinen Texten. Sie war sofort fasziniert von seiner Bilderwelt. Was sie darin wiedererkannte, war "eine mythische Bestätigung des Alltags", wie sie die Islamwissenschaftlerin bislang nur aus dem Orient kannte. Dazu sagte sie rückblickend: "Ich fand plötzlich, dass Asien in der Lausitz beginnt."

Die zweite Begegnung mit einer Botschaft des Schicksals fand statt im Lieper Winkel auf Usedom. Dort schaute der Katzenfreundin eines Tages eine Katze von der Art in die Augen, die einst in Anatolien daheim war. Mehr dazu im Klangkontext: O-Ton Gisela Kraft: Wo der Orient beginnt! und das Gedicht "Lieper Katze".

Als ich nun Gisela Kraft fragte, ob sie zur Bilderwelt der anatolischen Lyrik in Boltenhagen auftreten könne, brachte sie Benedikt Dyrlich ins Spiel. Wir dürfen gespannt sein, auf die Textur, die sich aus der poetischen Begegnung und Konfrontation dreier Sprachen und Kulturen ergeben wird.

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Perspektiven einer Minderheitensprache in Deutschland

Im Rahmen der sorbischen Kulturorganisation Domowina ist Benedikt Dyrlich Chefredakteur einer Zeitung. Sein Abendblatt "Serbske Nowiny" (Sorbische Neuigkeiten) sieht sich als identitätsstiftender Faktor für die rund 60000 Sorben in Sachsen und Brandenburg. Einmal monatlich gibt es eine deutschsprachige Ausgabe in einer Auflagenhöhe von 50 000 Exemplaren. "Wir produzieren moderne sorbische Sprache", sagt Dyrlich (vgl. © THILO ALEXE in "Lausitzer Rundschau" vom 21.02.2002 / S.5a) Da ist schon Kreativität gefordert, wenn es um Begriffe geht wie "kommunaler Finanzausgleich" oder "Stammzellenimport".

Über die Arbeit als kreativer Pfleger einer Minderheitensprache kann am 10. Mai 2003 vormittags mit Benedikt Dyrlich gesprochen werden. Am Abend davor ging es um seine Lyrik.

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Hörstunde für Nimersatte

Weil es im "Haus Seeschlößchen" immer wieder von nimmersatten Hörern wimmelt, hat der altmeister des Radiofeatures Ekkehard Saß am Ende der IV. Boltenhagener Tage für akustische Medien für dieses Haus den Begriff "Hörschlößchen" geprägt.

Also folgen wir auch diesmal wieder dem guten Brauch und bieten für die Nimmersatten in der Mittagspause was Gutes auf die Ohren. Wenn es interessiert, welche Stücke das diesmal sein werden, so muss zu einem späteren Zeitpunkt hier nachgeschaut werden, denn die Aufführungsgenehmigungen müssen erst noch eingeholt werden. Auf jeden Fall kann schon verraten werden, dass es spannende Inhalte in bester Klangqualität geben wird, die in jedem Fall auf das Thema des Bücherfrühlings und seine Akteure abgestimmt sind.

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Werkstatt 1: Handwerk und Handwerkszeug des literarischen Übersetzens

Matthias Jendis oder die Weißheit des Wales "Moby-Dick"

Mit Matthias Jendis zieht ein weltliterarisches Schwergewicht "von biblischer Wucht" ins Haus Seeschlößchen" ein. Hinter der spektakulären Neuübersetzung von Herman Melvilles "Moby-Dick oder der weiße Wal" werden wohl die anderen Arbeiten des Matthias Jendis zurücktreten. Ein Überblick auf unserer Matthias-Jendis-Infoseite!

Es hat Streit gegeben, denn es lag schon eine monomentale Gesamtübersetzung vor, als Matthias Jendis ins Spiel kam. Für den darin unterlegenen Friedhelm Ratjen ist dies zweifellos tragisch. Für die Literaturgeschichte ist der Fall aber exemplarisch, lehrreich und wohl auch richtig entschieden. Eine sehr instruktive Erörterung der Angelegenheit sei hier als Leseempfehlung genannt: Dieter E. Zimmer: "Moby-Dick und seine Übersetzer", © Die Zeit; vom 15.11.2001 / 47 Diesem Beitrag sei hier eine Stelle entnommen, worin zwei unterschiedliche Herangehensweisen von Übersetzern sichtbar gemacht werden.

Ein Satz aus dem Original, Melville (Kapitel 28):

"But the Pequod was only making a passage now; not regularly cruising; nearly all whaling preparatives needing supervision the mates were fully competent to, so that there was little or nothing, out of himself, to employ or excite Ahab, now; and thus chase away, for that one interval, the clouds that layer upon layer were piled upon his brow, as ever all clouds choose the loftiest peaks to pile themselves on."

Rathjen:

"Aber die Pequod befand sich jetzt erst auf Passage; kreuzte nicht regulär; beinah aller Walfangvorbereitungen, die der Oberaufsicht bedurften, waren die Maate voll und ganz befähigt, so daß es da nun wenig oder gar nichts gab, um Ahab weg von sich selbst zu beschäftigen oder aufzuregen; und solchermaßen wenigstens für dieses Zwischenspiel die Wolken fortzujagen, die sich Schicht auf Schicht auf seiner Stirne türmten, wie immerdar alle Wolken die erhabensten Gipfel wählen, um sich daran aufzutürmen."

Jendis:

Aber die Pequod befand sich jetzt bloß auf der Überfahrt; sie kreuzte nicht in den Fanggründen, und fast alle Vorbereitungen für den Walfang, die der Aufsicht bedurften, konnten bestens von den Steuerleuten erledigt werden, so daß es außer ihm selbst zur Zeit kaum etwas gab, das Ahab Arbeit oder Ablenkung hätte verschaffen und wenigstens vorübergehend das Gewölk hätte vertreiben können, das Schicht um Schicht auf seiner Stirne lag, so wie die Wolken stets die erhabensten Gipfel wählen, um sich an ihnen zu ballen.

Matthias Jendis selbst wird auch zahlreiche Kostproben aus Orginal und Übersetzungen sowie Adaptionen zum Besten geben. Wir dürfen uns auf einen spannenden Abend freuen!

Ein

 


Erstellt am 9.1.2003Zuletzt geändert am 20.02.2005